Tag der Pressefreiheit: Die Binde vor den Augen der Journalisten

Gefahr für die Pressefreiheit: Die Ausbeutung durch radikale Minderheiten

3. Namen nennen, Gesichter zeigen

Gut einen Monat nach der Germanwings-Katastrophe in den französischen Alpen ist  bekannt geworden, dass US-Behörden bereits 2010 über psychische Probleme des Todespiloten Andreas Lubitz informiert waren. Aus jüngst veröffentlichten Regierungsdokumenten geht hervor, dass die US-Luftfahrtbehörde FAA wegen der Erkrankung zögerte, dem damaligen Lufthansa-Flugschüler einen US-Pilotenschein auszustellen.

In Deutschland wurde doch tatsächlich von Vielen gefordert, den Namen des Todespiloten nicht zu veröffentlichen und schon gar nicht sein Foto; gerade sehe ich bei Google-News, dass immer noch in vielen Medien von einem Andreas L. die Rede ist und ein zum Fußball gepixeltes Bild mich mehr verstört als informiert.  Medien wurden heftig kritisiert, weil sie frühzeitig über den Verdacht des Mordes durch Lubitz berichteten und auch nicht die offizielle Stellungnahme abgewartet haben. Die Erfolge guter Recherche werden gegen die Medien ins Feld geführt. Glauben wir wirklich, dass die betroffene Fluggesellschaft gerne und freiwillig ihre organisatorischen Schwächen offenbart? Dass der Staatsanwalt wirklich die Wahrheit sagt, wirklich? Das Recht auf Vergessen und der Kult um das Persönlichkeitsrecht zerstören die Basis der Berichterstattung; Straßenfotografie ist schon fast schwerkriminell. Dazu kommen Abmahnvereine und die „Zentrale zur Bekämpfung unlauteren Wettbewerbs“. Sie jagen jeden, der schreibt, was die Konsumenten interessiert – aber etablierte Anbieter stört. Ihnen geht es nicht um Pressefreiheit, sondern um Gebühren zu Lasten der Berichterstattung. Das ist Wettbewerb pervers: Was neu ist, wird bekämpft, damit Abzocker weitermachen können. Ist das noch Pressefreiheit? Wir müssen sie verteidigen, gegen die Interessen dieser Gruppen.

4. Pegida heute besonders gewaltfrei?

Mehrere Berliner Medien verbreiteten am Abend vor dem Tag der Pressefreiheit folgende Meldung:

„Friedlichster Mai-Start seit Jahren: 41 Polizisten verletzt“… oder  etwa
Berlin.de titelte wie folgt: „Kaum Gewalt am 1. Mai: 41 verletzte Polizisten, 53 Festnahmen“. Stellen wir uns einmal am Montag folgende Meldung vor: „Friedlichste Pegida-Demonstration in Dresden seit Monaten – wieder mal nicht ein Polizist verletzt oder gar krankenhausreif geschlagen.“

Undenkbar. Medien beschönigen linke Gewalt; das gilt als eine Art hamburger oder berliner Folklore-Form des Mai-Baumstehlens, ein Brauch, der in Bayern noch vorhanden ist: Man klaut den Mai-Baum des Nachbarorts, und die Polizei ermittelt nicht mal… 41 verletzte Polizisten gelten als Ausweis einer besonderen Friedfertigkeit. Linke Gewalt? Gibt es gar nicht, gab es nicht, kann es gar nicht geben, spottet Bettina Röhl, „weil sie immer nur eine mutige, hilflose, davidartige Reaktion ist auf die ungeheuer mächtige Gewalt der “Reaktion”, des “Imperialismus”, des “Kapitalismus”, des “Systems”, der “herrschenden Klasse”, des “Militarismus”, der “mächtigen Atomlobby”, der “Banken”, der “Kriegstreiber”. Es ist  – so behauptet es auch die amtierende Familien-und Frauenministerin Schwesig (SPD) – kurz, ein “aufgebauschtes Problem.”

Da wundern sich dann manche Journalisten, dass sie nicht mehr ernst genommen werden. Die Pressefreiheit verschwindet, wenn sie nur noch einseitig instrumentalisiert wird, wenn sie auf einem Auge blind ist.

Das scheint mir persönlich derzeit die größte Gefahr zu sein.

5. Warum schreiben wir so, wie wir schreiben?

Deutschland ist nach wie vor ein Land grösster Freiheit, und es gibt exzellenten Journalismus. Es kann ihn ja geben! Aber am Tag der Pressefreiheit sollten wir darüber nachdenken, wie wir diese Spielräume nutzen, statt sie aufzugeben. Erstaunlich, dass zu wenige Journalisten dieses Recht nutzen, und sich vielmehr einem Mainstream einordnen, in den sie niemand zwingt – außer sie selbst. Dazu einige Thesen:

1) Journalisten pflegen oft eine Art „Hinrichtungsjournalismus“. Dabei wird nicht versucht, Menschen Ausdruck zu verleihen, sondern sie bewusst misszuverstehen, Aussagen zu verkürzen, aus dem Zusammenhang zu reißen, um diese Menschen negativ vorzuführen. Das schafft Schlagzeilen, denn die Meute greift auf, was andere ihr vorwerfen. Dagegen wehren sich immer mehr Menschen, denen ein Presserechtler nicht zur Verfügung steht, durch Schweigen. Wer es kann, läßt sich die Texte zur „Autorisierung“ vorlegen oder alarmiert einen Presserechtler schon mal vorab. Guter Journalismus wird schwieriger, weil viele sich unfair behandelt fühlen müssen.

2) Erfolgversprechend ist eine „Skandalisierung“. Nicht mehr Sachverhalte werden berichtet, sondern Missstände sollen aufgedeckt, Schufte vorgeführt, Verantwortliche gesucht und angeprangert werden. Dies ist sicherlich auch eine Aufgabe des Journalismus. Aber die Technik und Vorgehensweise hat sich verselbständigt.

3) Meinung überdeckt die Fakten. BBC World meldete seinerzeit:
“In Den Haag wurde der niederländische Politiker Geert Wilders vom Vorwurf der Volksverhetzung freigesprochen”
Tagesschau meldete:
“In Den Haag wurde der islamfeindliche und rechtspopulistische Politiker Geert Wilders vom Vorwurf der Volksverhetzung freigesprochen”
Den Unterschied zwischen Nachricht und Kommentierung gibt es mittlerweilen kaum mehr. Nachrichten werden zu einem obersten Gerichtshof, die Tagesschau korrigiert natürlich das niederländische Gericht; ganz ohne Verteidigung und Revision. Die sind ja bekanntlich am Gerichtshof der Medien sowieso nicht zugelassen.

4) Journalisten laufen Gefahr, sich zum Handlanger der Mächtigen zu machen. Die Droge heisst Nähe. Journalisten möchten gerne den Mächtigen nahe sein, um Informationen zu erhalten. Nähe setzt aber ein Mindestmaß an Zustimmung voraus. Also teilen Journalisten den „Spin“, die „Drehung“, die Politiker den Ereignissen geben. Gerade in Berlin ist diese Nähe zu eng geworden, weil Politiker und Journalisten im Regierungsviertel tagein tagaus aufeinander kleben. Politiker und PR-Agenturen haben gelernt, sich diese Neigung von Journalisten zunutze zu machen. Sie sind daher im Meinungskampf allen anderen Gruppen weit überlegen.

5) Journalisten teilen bestimmte Werte und versuchen, diese zu transportieren – und dabei entsteht eine ausgeprägte Einseitigkeit. Journalisten in Deutschland verstehen sich mehrheitlich als dem linken oder grünen Spektrum zugehörig, was an sich nicht verwerflich ist. Allerdings besteht ihr Berufsethos darin, sich als „Meinungslenker“ zu verstehen; während etwa angelsächsische Journalisten sich als „Nachrichten-Geber“ sehen. Darin ähneln unmittelbar nach der Wende westdeutsche übrigens den stalinistisch ausgebildeten ostdeutschen Kollegen. Dies ist vermutlich eine lange Tradition, die in der lange autoritären Struktur Deutschlands begründet liegt. Journalisten rekrutieren sich aus dem immer wieder selben Milieu. Sie transportieren, was sie interessiert. Ist Ihnen schon mal die massenhafte Berichterstattung (natürlich positiv) über Veganismus aufgefallen? Sie können gerne essen, was sie wollen. Aber statistisch sind Veganer nicht zählbar, weil so wenige. Und doch – so viele Titelgeschichten…

6) Journalisten wollen, wie alle Menschen, in der Gruppe geachtet und geschätzt werden. Sie orientieren sich an Vorbildern, denen sie nacheifern. Dadurch entsteht der Gruppendruck. Er wird verschärft durch die derzeitige Medienkrise. Im Schwarm fühlt sich der einzelne Fisch sicher; je näher man aufeinander rückt, um so homogener, mächtiger und einheitlicher wirkt der Schwarm, und umso bedrohlicher. Das reduziert die Gefahr für den Einzelnen, abseits zu stehen, oder gar Kritik einstecken zu müssen.

7) Der Gruppendruck führt zum “Wolfsrudel”, von dem sich nicht nur der frühere SPD-Vorsitzende Kurt Beck gejagt fühlte. The winner takes it all. Loosers don’t sell. Tony Blair hat den Mechanismus kurz vor seinem Rücktritt beschrieben: „Aus der Sorge, etwas zu verpassen, jagen die Medien heute, mehr als je zuvor, in einem Rudel. In diesem Modus sind sie wie ein wildes Biest, das Menschen und Reputationen einfach in Stücke reißt.“

Sicherlich gibt es noch weitere Gründe für den Konformitätsdruck der Medien. Dazu zählt die Nähe zur politischen Macht im Zuge der Zentralisierung Deutschlands auf Berlin als Haupt-Medienstandort. Das redaktionelle Herz vieler Regionalzeitungen, wie etwa der Süddeutschen, schlägt nicht mehr vor Ort, also zum Beispiel in München, sondern in Berlin und gleicht sich somit den anderen Redaktionen zwischen Restaurant Borchardt und Café Einstein in Berlin Mitte an. Evelyn Roll, langjährige Korrespondentin, spricht von einer „freiwilligen Gleichschaltung“. Gegen diese freiwillige Gleichschaltung sollten wir ankämpfen. Das ist wahre Pressefreiheit.




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