Modell Londoner Schuldenabkommen: Warum Griechenland den Euro aufgeben sollte

Kein Exportwunder mehr: Griechenland im Euro nicht wettbewerbsfähig

Ist Griechenland mit einem Schuldenschnitt zu helfen? „Griechenland braucht einen Schuldenerlass!“, schreibt Ralf-Dieter Brunowsky. 

Das ist gut gemeint im Sinne Europas, Griechenlands und Deutschlands. Jetzt kommt ein gewichtiges Argument dagegen vom „Centrum für Europäische Politik“ (cep). Ein Schuldenschnitt würde zwar die Staatsschulden ein weiteres Mal reduzieren – aber er würde „die zentrale Ursache für die griechische Misere, nämlich die mangelnde Wettbewerbsfähigkeit nicht beseitigen. Er würde die griechischen Probleme allenfalls kurzfristig lindern.“

Das ist starker Tobak. Bisher galten Griechenlands Schulden als Haupthindernis für die wirtschaftliche Erholung. Die linke Oppositionspartei Syriza fordert eine Art „Schuldenkonferenz“, bei der die Gläubiger zusammenkommen, um dem Land die Schulden zu erlassen. Vorbild ist das Londoner Schuldenabkommen von 1953. Dafür gibt es mittlerweile viele Anhänger. Aber wäre das die Lösung des griechischen Problems? Blättern Sie um und historisch zurück, um die Folgen eines Schuldenschnitts und das historische Beispiel der Londoner Konferenz zu analysieren. 

Die Londoner Schuldenkonferenz

Nach einem halben Jahr Verhandlungen wurden Deutschlands Vorkriegsschulden von 13,5 auf 9,6 Mrd. DM, und die Nachkriegsschulden von 15 auf 7 Milliarden DM reduziert. Damals hatte der Bundeshaushalt ein Volumen von 23 Milliarden DM. Es war eine der Voraussetzungen für das Wirtschaftswunder. Der deutsche Verhandlungsführer war der legendäre Chef der Deutschen Bank, Hermann Josef Abs. Er argumentierte, dass Deutschland wegen des Verlustes seiner östlichen Landesteile und der Teilung in Ost- und West diese Schulden wirtschaftlich nicht mehr tragen könne. Seine Verhandlung gilt als großer Erfolg

Nun stellt sich die Frage: Rettet ein Schlussstrich nach diesem Vorbild tatsächlich Griechenland und stabilisiert so den Euro? Kann man Griechenland 2014 mit Deutschland im Jahr 1953 vergleichen und daraus Schlüsse ziehen?

Das cep meint: Generell hilft ein Schuldenschnitt nicht, denn die „Kreditfähigkeit Griechenlands verfällt nach wie vor ungebremst. Die Reform der vergangenen Jahre und die massiven Finanzhilfen in Höhe von 234 Mrd. Euro haben daran nichts geändert“, argumentieren die Wirtschaftsforscher. Was sie meinen ist ganz einfach:

Der griechische Konsum liegt mittlerweile um 21 Prozent höher als das verfügbare Einkommen. Mit anderen Worten: Für jeden Euro, den die Griechen verdienen, geben sie 1,21 € aus. Diese Lücke wird durch immer neue Schulden geschlossen. Nun kann man Schulden streichen – aber sie werden sich sofort wieder aufbauen.

Umgekehrt bedeutet das: Die Mittel, die Griechenland erhält, werden nicht investiert, also in neue Fabriken, Anlagen oder Maschinen gesteckt. Im Gegenteil, so das cep: Der Kapitalstock des Landes, also der Wert all seiner Fabriken usw., ist sogar um 12 Prozent gefallen, und das allein im Jahr 2014. Wenn man so will: Griechenland lebt von der Substanz, und weil nicht einmal das reicht, werden Schulden gemacht.

Hilft also ein Schuldenschnitt nach dem Modell von 1953 für Deutschland?

Zwei Zahlen liefern das Ergebnis:

Die deutsche Wirtschaft wuchs damals rasant – um fast 7 Prozent. Ein großer Teil seiner Nachkriegsschulden kamen daher, dass kräftig investiert wurde – in Fabriken, Anlagen, Maschinen. Aber auch die daraus entstehenden Steuern hätten nicht ausgereicht, die noch aus der Vorkriegszeit stammenden Staatsschulden zurückzuzahlen. Deshalb kam es zu der Entlastung – die so gewaltig allerdings gar nicht war: Sie betrug  gerade einmal die Hälfte des damaligen jährlichen Haushaltsvolumens.

Griechenland war bereits sechs mal in London

Anders Griechenland heute. Das Land hat bereits seit 2010 über 234 Milliarden an Finanzhilfen erhalten – das ist in der Dimension das Dreifache des griechischen Haushaltsvolumens. Noch einmal: Hier geht es nicht um absolute Beträge – Mark im Jahre 1953 lassen sich nicht mit Euros 2014 vergleichen. Sondern es geht um Relationen. Danach beträgt der bisherige Schuldenhilfe für Griechenland schon das etwa dreifache seines Haushalts, während Deutschland nur die Hälfte erhielt. So gerechnet ist schon heute die Hilfe für Griechenland rund sechsmal so groß wie die Hilfe, die Deutschland erhalten hat.

Oder um es palaktiv auszudrücken: Griechenland hat das Londoner Schuldenabkommen schon sechs mal erhalten – und will es jetzt noch ein paar mal.

Wird das wirklich helfen?

Die Antwort ist natürlich nein. Auch mit weniger Schulden, so die Prognose, ist Griechenland nicht zu retten, weil seine Wirtschaft einfach nicht leistungsfähig ist.

Das Land kann aber auch nicht noch mehr sparen. Seit 2010 mußten die Griechen auf ein Fünftel ihres Konsums verzichten. Noch mehr sparen – das werden die Menschen kaum aushalten. Auch die Reformen, die Griechenland auf Druck der Troika umgesetzt hat, haben kaum etwas gebracht. „Dies ist nicht zuletzt darauf zurückzuführen, dass die Reformen von außen vorgegeben wurden. Hieraus ergeben sich zwei Hindernisse für deren Wirksamkeit. Zum einen wurden einige Reformen nur auf dem Papier beschlossen, von den ausführenden Behörden dann je- doch nicht umgesetzt bzw. angewendet. Zum anderen erzeugten die Reformen kein positives Konsum- und Investitionsklima, da ein großer Teil der Bevölkerung nicht von der Wirksamkeit der Reformen überzeugt ist. In der Folge blieben Investitionen aus und Kapital verließ das Land,“, schreibt das cep.

Wenn also weder ein Schuldenschnitt noch Reformen helfen – was dann? Was tun mit Griechenland?

Griechenland soll seine Zukunft in die Hand nehmen

Prof. Dr. Lüder Gerken, Vorstand des cep, schlägt dazu vor: „ Griechenland soll endlich selbst über seine Zukunft entscheiden“. Damit meint er natürlich den Austritt aus dem Euro. Denn nur ohne Euro kann Griechenland überhaupt noch wirtschaftlich gesunden – einfach, weil die Abwertung einer eigenen Währung die Voraussetzung schafft, wieder wettbewerbsfähig zu werden.

Die Risiken eines Euro-Austritts der Griechen haben wir hier bereits aufgeführt.   Allerdings mit einem Unterschied: Dass der Ausstieg aus dem Euro gewissermaßen nicht im Alleingang erfolgt. Jetzt geht es um einen freiwilligen und einvernehmlichen Ausstieg. Der hätte den Charakter einer Art Insolvenz des ganzen Landes. Alle seine Schulden würden dann weitgehend gestrichen. Allerdings könnte es sich auch nicht mehr zu Lasten der anderen europäischen Staaten verschulden.

Lüder Gerken in der Analyse: Zwar „würde ein Austritt  mit einem Schuldenschnitt einhergehen und so dazu führen, dass Griechenland einen Großteil der erhaltenen Finanzhilfen und der Target-Verbindlichkeiten nicht zurückzahlen kann; es ist jedoch davon auszugehen, dass dies bei einem Verbleib im Euro-Raum ebenso der Fall wäre.“ Griechenland wird also seine Schulden niemals bezahlen können. Die Frage ist nur: Darf es neue machen? Bleibt es im Euro, geht es nicht ohne.

Mit einer eigenen Währung dagegen könnte Griechenland neu beginnen. Beim Verbleib im Euro-Raum dagegen würde das Drama nur wieder von vorne beginnen, immer wieder. Nicht täglich grüßt das Murmeltier. Aber alle paar Jahre.

 

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