Mach mir den Italiener

Laut jammert Europa über das deutsche Spardiktat in der Euro-Krise; Berlin ist isoliert. Könnten wir auch anders? Ein Gedankenspiel.

Nun will also der neue italienische Regierungschef Enrico Letta die Sparbremse seines Vorgängers Mario Monti lösen. Die EU-Kommission will die Sparziele der Mitgliedsländer strecken; Frankreich macht ohnehin nicht mit, in Südeuropa werden die Deutschen wegen der Haushaltssanierung als Nazis beschimpft. Auch die USA-Regierung kritisiert die deutsche Austeritätspolitik. Da darf DGB-Chef Michael Sommer nicht fehlen und plappert am 1. Mai vom “Spardiktat”. Nun ja, vergangenes Jahr haben sich die europäischen Staaten um zusätzliche 576 Milliarden Euro verschuldet – so schlimm kann es also gar nicht sein mit der Sparerei. “Schizophrenie” nennt das Bundesfinanzminister Wolfgang Schäuble. Aber Stimmung und nicht Fakten macht Politik. Europaweit ist Vertrauen in Misstrauen umgeschlagen, werden alte Vorurteile wieder lebendig. Als Alternative wird angeboten, dass Deutschland mit Euro-Bonds für Schulden der Euro-Staaten mithaften soll. Der Spekulant George Soros fordert, Deutschland solle andernfalls aus dem Euro austreten. Es ist ein vergifteter Rat – ein Austritt würde Deutschland isolieren und die Verantwortung für den Euro-Murks aufbürden.

Aber es gibt auch einen anderen Weg: Auch Deutschland löst die Schuldenbremse, gibt den Italiener. Dann könnte Angela Merkel mit treuherzigem Augenaufschlag sagen, nur so sei die Wahl zu gewinnen. Dafür hat jeder ihrer spendierfreudigen Kollegen im Süden Verständnis. Wir erhöhen also die Renten in Westdeutschland nicht um die vorgesehenen, enteignungsgleichen 0,25, sondern um insgesamt 5,7 Prozent, wie die Erhöhung der Beamtenpensionen, damit die Schere zwischen Arm und Reich sich nicht noch weiter öffnet. Ein Infrastrukturprogramm wird aufgelegt; Verkehrsminister Peter Ramsauer kennt alle baufälligen 1000 Autobahnbrücken mit Vornamen; und weitere Milliarden kann er gut für Bahnhöfe und -strecken, Flughäfen und Kanäle brauchen. Wer hat noch nicht, Uni will noch mal? Oder lieber Kinderkrippen? Löhne rauf, Mindestlöhne, was immer geht; sprengt die Tyrannei der Lohnstückkosten! So wird die Binnennachfrage angekurbelt, und die verhassten deutschen Exportüberschüsse schmelzen dahin; leider wird die Leistungsbilanz der Euro-Zone tiefrot. So ein 100-Milliarden-Euro-Programm würde zwar im Bundeshaushalt ein Loch im Hans-Eichel-Format reißen – aber wenigstens stiegen die Zinsen für Bundesschatzbriefe, was deutschen Sparern gerade recht käme.

Dumm nur, dass dann Anleger trotz steigender Zinsen aus dem Euro fliehen. Dollar und Yen steigen; was den dortigen Regierungen gar nicht ins Konzept passt und ihre Notenbanken veranlasst, noch mehr Geld zu drucken. Aber im Süden würden erst mal die Champagnerkorken knallen und die Sparbremsen überall gelöst. Noch dümmer, dass nicht nur die Zinsen für die Staatsverschuldung in Deutschland kräftig anziehen, sondern in Griechenland und Spanien geradezu explodieren. Vorübergehend würde die Europäische Zentralbank ihre Dicke Bertha einsetzen und Süd-Staatsanleihen kaufen, die sonst niemand nachgeschmissen haben wollte. Aber bald müsste sie die monetäre Atombombe werfen, so erschüttert wäre die Euro-Zone, wenn die Deutschen das aufgeben, was sie auch von anderen fordern: Haushaltsdisziplin. Die Inflation wäre dann nicht mehr zu bremsen, aber die gilt ja nur als deutsche Neurose. Werden die jeweiligen Staatsschulden dann vergemeinschaftet, kommt der Wettlauf erst richtig in Gang: Es gewinnt der, der die meisten eigenen Schulden in den gemeinsamen Topf wirft.

Würde wenigstens das Wachstum anspringen? Nun ja, wenn alle beglückten deutschen Rentner Fiat kaufen, dann schon – zumindest bis Inflation und Staatsausgaben davongaloppieren.

Die Frage, wer dann wie aus dem Euro austritt, stellt sich nicht mehr. Er würde platzen. Deutschland hat es in der Hand. Aber wenigstens können wir nichts dafür, und alle müssen uns wieder lieb haben.

(Erschienen auf Wiwo.de am 04.05.2013)

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