Der Krieg gegen das Bargeld – neue Folge

Nun hat das Thema auch die FAZ erreicht: „Wirtschaftsweise streiten über das Bargeld, steht heute da. Zuvor hatte Peter Bofinger, Mitglied des Sachverständigenrats zur Begutachtung der wirtschaftlichen Lage Am Freitag  im SPIEGEL die Abschaffung gefordert – unpraktisch sei Geld; Kriminalität könnte besser bekämpft und endlich die Negativ-Zins-Politik strikt durchgesetzt werden. Das sind alles Argumente gegen das Geld, die Sie hier längst lesen konnten. Lars Feld kontert jetzt in der FAZ mit ebenfalls bekannten Argumenten – nämlich dass wir dann alle das sind, was sich der Staat wünscht: Gläserne, kontrollierbare, beherrschbare Bürger.

Wir wiederholen daher unsere Analyse und die Einladung zu einer Tagung über die Zukunft des Geldes an diesem Donnerstag.

Wieviel Geld haben Sie gerade bei sich? 20, 50, 100, 500 €? Die Statistiker der Deutschen Bundesbank haben schon mal in ihren Geldbeutel geschaut und nachgezählt: Im Schnitt trägt jeder 103,— € mit sich herum. Und zu Hause, im Tresor, in der Zuckerdose oder unter der Matratze sind es noch einmal 1.440 €. „Unsere jüngste Studie zum Zahlungsverhalten zeigt, dass die Bürgerinnen und Bürger in Deutschland auch weiterhin mit Bargeld bezahlen möchten“, sagt der für die Scheine zuständige Vorstand der Bundesbank, Carl-Ludwig Thiele.




Aber selbstverständlich ist das nicht. Die Bundesbank warnt vor einem „War on Cash“, von einem Krieg gegen das Geld, wie wir es kennen.

„War on Cash“

Dänemark geht voran: Die „Dänen-Krone“ wird als gesetzliches Zahlungsmittel weitgehend abgeschafft, neue Banknoten  nicht mehr gedruckt. Dann können Tankstellen und Restaurants sagen: „Keine Karte? Kein Service“.

Die Geldgegner bilden eine breite Front:

  • Viele große Händler lieben unser Geld, aber hassen das Bargeld: Es muss bewacht, gezählt und mit der Geldbombe abends in die Bank geliefert werden. Letztlich wird Cash wegrationalisiert – wobei die Vorteile bei den Händlern anfallen.
  • Die Banken – kein Bargeld, kein Bankraub, so geht ihre Rechnung; und Geldautomaten sind ihnen auch zu teuer. Noch wichtiger: Ohne Bargeld wären wir alle total abhängig von der Bank, die jederzeit unsere Kreditkarte sperren könnte. Und wenn die Bank pleite ist, sind wir es auch. Damit wären die Banken wieder, was sie während der Finanzkrise waren: Unverzichtbar, unangreifbar, weil mit ihrem Ende alles wirtschaftliche Leben beendet wäre.
  • Der Staat – ohne Bargeld keine Schwarzarbeit, und der total gläserne Bürger wäre endlich Realität. NSA und BND wären Anfänger, verglichen mit den Möglichkeiten einer elektronischen Kontoverfolgung.
  • Viele Digital-Unternehmen; vom mächtigen  Apple bis zu findigen Start-Ups – sie wollen daran verdienen, wenn wir elektronisch bezahlen, abbuchen, umbuchen. Für sie wäre digitales bezahlen ein Riesengeschäft; bei jedem Kauf klingelt es in Ihrer elektronischen Kasse. Übrigens: Studien, die nachweisen, dass solche Zahlungssysteme „billiger“ seien als Cash, stammen in der Regel von – Kreditkartenunternehmen. Tatsächlich gibt es keine solide Bestätigung der These vom billigen Digitalen. Die Vorteilhaftigkeit hängt eher von der Situation ab: Natürlich ist beim Internet-Einkauf der digitale Zahlungsstrom Grundvoraussetzung – am Kiosk nebenan aber nicht.
  • Schweden ist am weitesten mit der Überwachung. Das hat Tradition. Das sozialdemokratische Musterland ist ja auch Musterland in der totalen Bürgerüberwachung in einem Maß, das in Deutschland ausgeschlossen ist – vorerst: „Bargeld braucht nur noch Deine Oma – und der Bankräuber“, heißt der Slogan. Björn Ulaveus,  als Gründer von ABBA stinkreich geworden, ruft auf, ganz auf das Bargeld zu verzichten. Im ABBA-Museum in Stockholm gilt nur noch Kartenzahlung. Der Hauptsponsor des ABBA-Museums: eine Kreditkartenfirma.
  • Der Wirtschaftswissenschaftler Kenneth Rogoff nennt noch einen anderen Grund: Nur wenn wir kein Bargeld mehr besitzen dürfen, könnte die Europäische Zentralbank uns zum konsumieren zwingen. Jeder Euro auf der Bank könnte dann mit einem Strafzins belegt werden. Unser Geld würde jeden Tag und jede Nacht schrumpfen – da gibt man es schneller aus, kurbelt die Wirtschaft an, statt zu sparen. Diese „Negativ-Zinsen“ gibt es sogar schon – aber erst für Banken, wenn sie ihr Geld bei der Europäischen Zentralbank parken. So lange wir aber noch echtes Geld haben, könnten wir es auch verstecken. Beim Bargeld-Verbot dagegen müssten wir hilflos zuschauen, wie es auf dem Bankkonto dahin schmilzt, besteuert, oder beschlagnahmt wird.

Geld ist eben „gemünzte Freiheit“, zitiert schon Ludwig Erhard den russischen Dichter Dostojewski. Der war nach Sibirien verbannt – und brauchte Geld, um sich aus Kälte und Einsamkeit freizukaufen. Schon gibt es von Aktivisten Unterschriftensammlungen im Internet, damit uns das Geld nicht weggenommen wird. Wer will, findet sie hier:  Zu einer entsprechenden Tagung haben wir Sie bereits eingeladen.

Nach wie vor ist Bargeld unverzichtbar

Der Wert der vom Eurosystem emittierten Banknoten übersteigt seit Dezember 2014 den von einer Billion Euro. Auch was das Bezahlverhalten am Point-of-Sale betrifft, hat Bargeld in Deutschland nach wie vor die Nase vorn, wie eine Studie zum Zahlungsverhalten ergeben hat. Bargeld wird immer noch für fast 80 Prozent aller Transaktionen genutzt, allerdings gegenüber der vergangenen Studie aus dem Jahr 2011 mit leicht gesunkener Tendenz. Der wertmäßige Bargeldanteil ist konstant geblieben und beläuft sich mit 53 Prozent auf mehr als die Hälfte der verausgabten Beträge. Auch der Bargeldbestand im Portmonee liegt im Vergleich beider Erhebungen unverändert bei 103 Euro. Diese geringe Dynamik mag auf den ersten Blick unspektakulär erscheinen, sie zeigt jedoch relativ stabile Vorlieben der Bürgerinnen und Bürger im Umgang mit Zahlungsinstrumenten.

Doch auch wenn die Bevölkerung hierzulande nur wenig Bereitschaft zu Experimenten zeigt: In kleinen Schritten vollziehen sich durchaus Veränderungen im Zahlungsverhalten. Mittlerweile besitzt fast jeder Erwachsene eine girocard – auch noch als EC-Karte bekannt –, mit der inzwischen annähernd 30 Prozent der Umsätze am Point-of-Sale bezahlt werden; 2011 waren es noch rund 28 Prozent. Die girocard hat das Bargeld für Zahlungen zwischen 50 und 100 Euro als beliebtestes Zahlungsinstrument abgelöst. Weitere Argumente für die Beibehaltung von Bargeld finden Sie in einer Rede des für Bargeld zuständigen Bundesbankvorstands Carl-Ludwig Thiele. 

 …und keine Angst vor Vogelgrippe

Bargeld weist nämlich einige einzigartige Eigenschaften auf:

– es ist für jedermann verfügbares Zentralbankgeld, mit dem Zahlungsverpflichtungen   erfüllt werden können und wofür es Annahmezwang gibt.
– es hinterlässt keine Datenspuren und schützt die Privatsphäre,
– es kann ohne technische Hilfsmittel zum Bezahlen genutzt werden und dient daher als Ausfalllösung für unbare Zahlungsinstrumente und
– es garantiert die sofortige und vollständige Vertragserfüllung am Point-of-Sale – Ware gegen Geld.

Ist Geld schmutzig? Gesundheitsgefährdend? Keine Gefahr, sich damit die Vogel-Grippe zu holen, verspricht Schein-Thiele: Die Bundesbank sorge dafür, dass immer neue Scheine im Umlauf sind und alte rechtzeitig verschwinden. Die Tastatur eines  Karten-Terminals sei gefährlicher.

Einladung zu einer Tagung über die Zukunft des Geldes

Was zunächst wie eine Zukunftsvision klingt, zeichnet sich in unserem Alltag längst ab. Handwerkerrechnungen können nur dann steuerlich geltend gemacht werden, wenn sie per Überweisung beglichen wurden. Im öffentlichen Nahverkehr einzelner Großstädte erhält einen Rabatt, wer auf Bargeld verzichtet, und in einer zunehmend digitalisierten Welt erfreuen sich Mobile- Payment-Verfahren immer größerer Beliebtheit. Mittlerweile wird die Abschaffung des Bargelds ernsthaft erwogen; nicht nur beim IWF, dem Internationalen Währungsfonds, manchen Zentralbanken und in Schweden von Handelsorganisationen und Polizei.

Das alles sollte Anlass sein, sich mit der drohenden Abschaffung des Bargelds zu beschäftigen.

Der Landesbeauftragte für den Datenschutz und die Informationsfreiheit und die Verbraucherzentrale Rheinland-Pfalz e.V. laden dazu zu einer Veranstaltung unter dem Titel:

Bargeld in der digitalen Gesellschaft – Anachronismus oder gedruckte Freiheit? Eine Veranstaltung im Rahmen von #watch22 / AUSSTELLUNG / DATENSCHUTZ / KUNST / KULTUR / Donnerstag, 21. Mai 2015, 18.00 Uhr Bonifaziusturm A (22. Stock) Hintere Bleiche 34 55116 Mainz

Unter der Moderation von Dr. Stefan Brink, (Ministerialrat beim Landesbeauftragten für den Datenschutz und die Informationsfreiheit Rheinland-Pfalz) sprechen Eveline Lemke, stellvertretende Ministerpräsidentin von Rheinland-Pfalz und Ministerin für Wirtschaft, Klimaschutz, Energie und Landesplanung; Hans-Bernhard Beykirch (er verantwortet als Head of Client Cluster das Geschäft mit Landesbanken, Sparkassen und Händlerbanken für Visa Europe ) und Klaus Müller, Vorstand der Verbraucherzentrale Bundesverbands (vzbv)

Hier können sich unsere Leser anmelden; ich selbst werde den Eingangsvortrag halten.

https://www.tichyseinblick.de/tichys-einblick/wird-das-bargeld-abgeschafft/

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Kommentare ( 8 )

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