Tief Eckard: Die warme Luftblase

In ihren Berichten über das Tief Eckard und den Nordpol griffen viele Medien tief in die Klimakatastrophenkiste und im Dutzend daneben. Aus 50 Grad Fahrenheit (10 Grad Celsius) machten sie 50 Grad Celsius. Das Tief drehte sich plötzlich im Uhrzeigersinn, obwohl das auf der Nordhalbkugel nach wie vor anders herum ist.

Da waren sie wieder, die Vorboten der kommenden Klimakatastrophe. Dem Nordpol wurde um die Jahreswende ganz warm ums kalte Herz. Die Eismassen drohten mit der Schmelze, und so manche Klimakatastrophen-Gläubige bereiteten sich mental auf die Wasserwellen vor, die uns jetzt zu überfluten drohten. Also doch Land unter am Kölner Dom, wie das einst der Spiegel auf seinem Titelbild skizziert hatte.

Der arme Nordpol! Nicht genug, dass er zum Jahreswechsel einen heftigen Schwall warmer Luft abbekam. Nein, über ihn zog auch ein medialer Overkill, bei dem kaum eine Zähre trocken blieb.

Medialer Klima- und Wetter-Overkill

Stürme und Überschwemmungen über England, gigantische Wellen auf der Nordsee, Hitze am Nordpol – biblische Katastrophen direkt nach Weihnachten so recht nach dem Geschmack der Klimakatastrophenjünger. Und haben wir nicht auch schon vorher den Klimawandel gesehen? Eine Wärmewelle wie im Frühling – und das im Dezember. Das kann nicht normal sein.

Früher blühten zu Weihnachten zwar schon das eine oder andere Mal die ersten Blumen, fielen dagegen nach zeitgenössischen Berichten zu Ostern mitunter die „gefrorenen Vögel vom Himmel“ – aber solche Wetterkapriolen heute, wo der Mensch sich anschickt, den Kohlenstoff aus der Welt zu verbannen?

So blieben Kläuschen „Träne“  Kleber die Worte weg: „Wir beginnen mit dem Aktuellen – und da haben wir was falsch gemacht. Als diese Woche Tornados durch die USA tobten, und in England eine Sintflut vom Himmel fiel (bei ihm fällt eine Sintflut vom Himmel) – da haben wir schon gesagt, dass das Wetter komplett verrückt spiele. Und jetzt haben wir keine Wortreserven mehr für das, was gerade passiert.“

Warum sollte richtig sein, was wir im Heute Journal berichten, denkt sich der Sprachlose und zieht mit bedenklich schief stehendem Kopf vom Leder: „Ein Wetterphänomen, das sich von Südamerika über die USA, dann über den Atlantik bis zum Nordpol zieht. Mit Tauwetter dort oben. Mitten im tiefsten, dunklen arktischen Winter Temperaturen von 30 Grad und mehr über den Normalwerten – was nun nicht Frühlingsbrise bedeutet, sondern Orkan. Ein überraschender Höhepunkt in einem Jahr, das ohnehin schon Rekordwetterwerte brachte.“

Die kann zwar kein Meteorologe bestätigen, vor gerade mal 20 Jahren gab es ein noch tieferes Tief, macht aber nix, es muss ein innerer Zwang herrschen, bei jedem ungewöhnlichen Lüftlein den Klimawandel unterzubringen. Den Menschengemachten – muss man als Medienmensch noch unbedingt hinzufügen.

Schlampige Berichterstattung – ist vielen Medien egal: Hauptsache Katastrophe

Es stimmt zwar fast nichts im folgenden Filmbericht. Das Tief „Eckard“ über Island heißt beim früheren journalistischen Highlight heute journal „Edgar“. Und ein ZDF-Wettermann beeilt sich, in sein Statement irgendwie die Begriffe „Klimakatastrophe“, „Schuld des Menschen“ und „Endzeit“ hineinzubringen. Ob er das wider besseres Wissen tut oder alles selbst glaubt, erschließt sich einem nicht. Gunter Tiersch im O-Ton des mittelalterlichen Bußpredigers: „Mit der Erwärmung werden sich die Extreme weltweit häufen. Und dann werden wir darunter zu leiden haben.“

Ursache für die Wetterkapriolen waren ein deftiges Island-Tief und ein kräftiges Hoch über dem Baltikum. Beide schaufelten vereint warme Luft aus dem Süden nach Norden. Nach Osten war den heranstürmenden Luftmassen der Weg durch das Hochdruckgebiet versperrt. Die Luft hat nur eine Möglichkeit: nach Norden auszuweichen. So wird warme Luft zum Nordpol gebaggert.

Diese Wettersituation deutete sich in den Karten übrigens schon eine Woche vorher an. Also Weltuntergang mit Ansage gewis-sermaßen.

Für zwei Stunden erreichte die Temperatur in der Polregion ihre höchste Marke von 0,7 Grad Celsius. Neun Stunden verhielt sie über null Grad, dann sank sie wieder.

Das Tief wies diesmal einen besonders niedrigen Luftdruck auf. Etwas ungewöhnlich, gewiss, aber kein Weltuntergang. Über der Nordsee tobten daher kräftige Stürme. „Ölkonzerne“ (BILD) ließen Bohrplattformen räumen, nachdem eine in Seenot geraten war. Sehr heftige Wellen hatten erhebliche Schäden angerichtet.

Anlass, kräftig in die Klimakatastrophenkiste zu greifen. In der Tagesschau am 30.12.2015 um 12 Uhr hörte sich das so an: „Vielerorts wurde in den vergangenen Tagen über das Wetter diskutiert vor allem die ungewöhnlich hohen Temperaturen. Und auch diese Meldung lässt jetzt aufhorchen: Prognosen des US-Wetterdienstes zufolge könnte ein Sturmtief dem Nordpol Temperaturen von bis zu 50 Grad über den normalen Werten bescheren. Schon jetzt ist es dort wärmer als üblich, etwa vier Grad über Null. Normal sind im Winter eigentlich Temperaturen bis minus 40 Grad. Die Ursachen könnten natürlich die Erderwärmung und das Wetterphänomen El Ninjo sein.“

Es stimmt nichts an diesen Sätzen. Die mittleren Temperaturen liegen um diese Jahreszeit bei gewöhnlich 25 bis 30 Grad. Die in den Quellen genannten 50 Grad beziehen sich auf Fahrenheit, eine andere Temperatur-Einheit als die bei uns übliche Celsius-Einteilung der Skala. Und 50 Grad Fahrenheit sind gerade mal 10 Grad Celsius, wären also nicht besonders viel. Jeweils minus versteht sich. Lustig übrigens zu sehen, wie die Temperaturangaben durch die verschiedenen Tagesschau-Ausgaben des Tages schwanken. Völlig egal, Hauptsache Katastrophe.

Das Phänomen El Ninjo im Pazifik ist eine Folge von Schwankungen in Atmosphäre und Meer und nicht umgekehrt Auslöser für Schwankungen.

Ein „starkes Tiefdruckgebiet“ dreht sich bei der Deutschen Welle „im Uhrzeigersinn“. So fabuliert eine das bunte Deutschland repräsentierende Moderatorin überzeugt in die Kamera. Quatsch, auf der Nordhalbkugel drehen sich Tiefdruckgebiete immer noch gegen den Uhrzeigersinn, Hochdruckgebiete genau anders herum. Auf der Südhalbkugel ist es genau anders herum. Ziemlich verzwickt – oder?

„Was passiert da gerade?“ fragt jedenfalls bang die DW-Frau weiter und hat trotz völliger Ahnungslosigkeit keine größeren Probleme, in einem kurzen Gespräch mit einem Meteorologen als Fachmann im Studio nahtlos von Eisschmelzen am Nordpol zu Dürren in Afrika zu kurven. Der wiederum muss irgendwie noch einen Rest seines Rufes wahren und versucht, die gedankliche Geisterbahnfahrt zu entschärfen und entgegnet: „Also diese Temperaturveränderung über dem Nordpol und die aktuelle Situation in Afrika lässt sich nicht direkt verbinden!“

Damit er auch künftig interviewt wird, bekommt er doch noch die Kurve zur Katastrophe: Überschwemmungen in England, in Südamerika, Dürren in Afrika – alles hängt irgendwie zusammen und darüber droht die menschengemachte Klimakatastrophe.

Galileo Galilei hätte heute keine Chance

Unser liebster Katastrophenklingler ist allerdings der Typ von der einst seriösen FAZ. Scharf, was er in die Tasten haut. Er sülzt von einem „Hitzeorkan“, der „riesige Warmluftmassen an den Nordpol“ pumpt: „Und es soll noch schlimmer kommen.“

„Wir sind heute noch nicht so weit, einen historisch warmen Dezember wie diesen mit sechs Grad über dem statistischen Mittel als apokalyptisch zu empfinden“, schreibt er weiter, nachdem der Glühwein im warmen Westwind so gar nicht munden wollte und zitiert tatsächlich den Gesamtverband der Versicherer: Eine Studie von Versicherern und Klimaforschern hätte in trauter Eintracht herausgefunden, dass „Sturmschäden bis 2100 um mehr als 50 Prozent zunehmen“. Tolle Schützenhilfe für Versicherer, die auf eine ihrer letzten guten Prämiengelegenheiten lauern, nachdem andere Versicherungen nicht mehr angemessen Knete abwerfen.

Der FAZ-Mann bemüht dann auch noch eine „integrierte Klima- und Wetterforschung, auf die sich … die Weltpolitik insgesamt stützt“. Faselt von einem Menetekel für langfristige Veränderungen. Und weiß jetzt schon: „2016 soll noch wärmer und ungemütlicher werden.“

Früher galt mal die Losung in den Medien, Aussagen gegen-zuprüfen. Heute genügt „eine Mehrheitsentscheidung“, um festzulegen, was wahr ist und was nicht. Galileo Galilei hätte heute keine Chance.

Nein, es ist langsam nicht mehr lustig, wie hier eine Medienkavallerie bis auf ein paar Ausnahmen unisono die Katastrophen an die Wand malen. Das führt mittlerweile dazu, dass Politgrößen ungestraft Schauerworte wie „Decarbonisierung“ in den Mund nehmen und einem meteorologisch-industriellen Klimakomplex zu fetten Einkommen verhelfen.

Und nein, es stimmt wenig bis nichts an diesen Berichten über das Tief Eckard. Trotz des medialen Hitzeschocks, den der Nordpol gerade verpasst bekam, heizt die Sonne die Regionen am Äquator weiterhin auf, an beiden Polen kühlen dagegen die Luftmassen ab. Dazwischen liegen die Zonen, in denen sich die warmen Luftmassen aus den tropischen Breiten mit den kalten der Polregionen vermischen. Das Ganze wird überdies wie ein Martini kräftig geschüttelt. Dafür verantwortlich ist die ziemlich schnelle Drehung der Erde.

Ja, als Klimakatastrophen-Gläubiger mag man es kaum glauben: Die Erde steht sogar schief im Weltraum. Die Neigung der Erdachse beträgt gegenwärtig 23° 26′ 23”, die Neigung gegenüber der Ekliptik 66,56 Grad. Aufgrund der geneigten Achse der Erde gibt es sogar Jahreszeiten. So hat einmal hat die Vegetation auf der Nordhalbkugel Zeit ein halbes Jahr zum Ausruhen, dann die Südhalbkugel. Unterschiedliche Klimazonen bieten verschiedenen Lebewesen immer andere Bedingungen.

Klimabesorgte würden ausflippen, würden sie erfahren, dass sich die Erdachse sogar verändert. Die Erde kippt, pendelt, torkelt. Langsam zwar, wir merken das nicht. Es passiert jedoch, wir verraten das jetzt aber nicht.

Tatsächlich: In der Welt draußen gibt es Unterschiede. Die Grenzen sind nicht mit dem Lineal gezogen, sondern verändern sich dazu noch ziemlich chaotisch. Ab und zu schwappt eben auch mal eine warme Luftmasse völlig unkorrekt wie die Blase in einer Lavalampe in die Polregionen. Dann kommen Eisbären ins Schwitzen und Medien ins Fabulieren.

Nachtrag

Auf Wunsch einzelner Leser ein genauerer Blick auf das Verhältnis Celsius – Fahrenheit, die in der Knappheit zu kurz kam und mit der eigentlichen Geschichte weniger zu tun hat.

Leider etwas kompliziert: Einheit Fahrenheit ist anders als Einheit Celsius – beide Skalen verlaufen nicht gleich. Der gute alte Daniel Fahrenheit definierte Anfang des 18. Jahrhunderts als Nullpunkt seiner Temperaturskala nicht den Gefrierpunkt des Wassers von Null Grad, sondern die tiefste Temperatur, die zu seiner Zeit in der Natur auftrat. Das war in den strengen Winterzeiten Anfang des 18. Jahrhunderts  -17,8 Grad. Hätte zu seiner Zeit ideologisch unkorrekt nicht gerade die Kleine Eiszeit von 1765 bis 1715 geherrscht, hätten wir möglicherweise andere Temperatureinheiten.

Oberer Grenzwert war bei ihm die Temperatur, bei der Wasser siedet, 212 Grad Fahrenheit. Er teilte die Skala zwischen den beiden Grenzwerten in 180 gleichmäßige Abschnitte ein. Wasser gefriert bei ihm bei 32 Grad. Minus 20 Grad Celsius sind minus 4 Grad Fahrenheit.

Einen ganz anderen Ansatz wählte Lord Kelvin mit dem absoluten Nullpunkt von -273,16. Aber das war viel später im 20. Jahrhundert und hat hier nichts zu tun.

All das jedoch ist nicht Thema der Geschichte, sondern der falsche Katastrophenalarm. 50 Grad höhere Temperaturen klingen drastisch, wenn man nicht Fahrenheit als Einheit dazusagt. Deutlich weniger drastisch klingt die Angabe in der bei uns üblichen Einheit Celsius.

Man darf zum Vergleich dazu grob die Hälfte nehmen, um Verhältnisse deutlich zu machen und nicht mit den Tiefen der unterschiedlichen Skalen zu langweilen.

Grober Überschlag: Minus 20 Grad in der Region, entsprechen etwa 0 Grad Fahrenheit ( genau -17,8 Grad). Wenn dramatische 50 Grad Erwärmung verkündet werden, kommen wir auf 50 Grad Fahrenheit, also 10 Grad Celsius. Kann man sich eben gut merken. Wer’s genau haben will, kommt auf 7,8 Grad Celsius.

Bei einer Temperatur von minus 25 Grad ergibt der in den Nachrichten erwähnte Temperatursprung von 50 Grad ( Fahrenheit ) gerade mal eine Celsius-Temperatur von 2,8 Grad ( in Celsius ), und minus 30 Grad sind dann minus 2,2 Grad ( wiederum Celsius).

Das klingt noch weit weniger dramatisch.

Die genaueren Zahlenspiele untermauern noch mehr als die grobe Überschlagsrechnung die unsinnige Dramatisierung. Alarmismus bleibt Alarmismus.

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