Feindbild Deutschland – die unterschätzte Gefahr

Ich habe mir viel Kritik mit meinem Standpunkt eingehandelt, dass Griechenland geholfen werden muss, insbesondere mit diesem Kommentar auf „Tichy´s Einblick„.

Das Einprügeln auf Draghi, den Euro und vor allem auf die Griechen ist auch in vielen Medien zum Standard geworden, auch wenn sich langsam die Berichterstattung versachlicht. Mir fehlt bei dieser ganzen Diskussion politisches Denken. Wenn es ums Geld und um Schulden geht, verstehen die Deutschen eben keinen Spaß. Aber Europa ist eben mehr als ein Geldgebilde, deswegen kann es nicht nur ums Geld gehen. Die Europäische Union ist ein Friedenskonzept, in dem Deutschland seine Nachkriegsrolle gefunden hat. Aber nicht als dominanter Riese, Schlaumeier und Musterschüler, sondern als Partner unserer Nachbarn.

Heute meldet das Ifo-Institut, dass Deutschland 2014 einen neuen Rekord bei seinem Exportüberschuss aufgestellt hat. Mit einem Überschuss von 285 Milliarden Dollar – doppelt so viel wie die nächstplatzierten China und Saudi-Arabien zusammen wurden sämtliche Höchstwerte der Vergangenheit übertroffen. Dieser Überschuss in der Leistungsbilanz enthält Waren und Dienstleistungen, also alle Transfers zwischen Deutschland und der Welt – in beide Richtungen. Es ist die Differenz zwischen dem, was wir anderen liefern und dem, was wir importieren, in Dollarpreisen gerechnet.

Warum können wir darauf nicht stolz sein? Zum einen, weil diese ungeheure Differenz zeigt, dass wir auf unserem Geld sitzen, statt in anderen Ländern einzukaufen.

Überschüsse in dieser Höhe sorgen für Instabilität. So schön die Exporterfolge deutscher Unternehmen sind, wenn wir unser Geld nicht auch in gleicher Höhe für Importe ausgeben, wird unsere Währung zunehmend belastet und Europa gespalten.
Zum Zweiten, und das ist die politische Gefahr: Die wirtschaftliche Stärke Deutschlands weckt zunehmend den Neid unserer Nachbarn. Eigentlich müsste unsere Währung aufwerten, um diesen Exportüberschuss auszugleichen, aber im Euroverbund geht das nicht. Würde der Euro aufwerten, ginge die Differenz auch zurück, aber das wäre wiederum fatal für die schwächeren Euroländer. Mit Draghis Anleihekäufen hat der Euro sogar gegenüber dem Dollar kräftig abgewertet. Das stützt die Exporte aller Länder in Drittländer. Es hilft den Südländern, es stimuliert allerdings auch die deutschen Exporte weiter. Nur dann, wenn Deutschland seine Importe massiv erhöht, kommt wieder Stabilität in das Euro-System. Im Ergebnis geht es darum, dass die Deutschen bei ihren Nachbarn mehr einkaufen. Und dafür brauchen sie entweder Steuersenkungen oder kräftige Lohnerhöhungen, am besten beides.

Der bekannte deutsche Ökonomieprofessor Michael Burda (Humboldt-Universität Berlin) hat dazu im britischen „Telegraph“ im April 2014 folgendes gesagt (gefunden bei Heiner Flassbeck):

… das Kernproblem der Eurozone ist Deutschlands Leistungsbilanzüberschuss – mehr als 6 Prozent des Bruttoinlandsprodukts – und flache Löhne seit einem Jahrzehnt. ‘Deutschland muss weniger wettbewerbsfähig werden oder die Eurozone wird nicht überleben. Man kann einfach nicht in alle Ewigkeit sparen. Das ist Merkantilismus und wir werden das nicht mehr tun. Alles, was Deutschland tun muss, ist, seine Bürger glücklicher zu machen durch die Steigerung ihrer Löhne’,

Michael Burda ist nicht irgendeiner, der hier Lohnsteigerungen fordert, ist US-amerikanischer Makro-Ökonom und Vorsitzender des konservativen deutschen „Vereins für Socialpolitik“.
Inzwischen beträgt der Leistungsbilanzüberschuss sogar 7,5 Prozent unserer Wirtschaftsleistung, die Lage hat sich also weiter verschärft.

Es ist schlimm zu sehen, wie diese Zahlen inzwischen eine Allianz der Deutschland-Gegner in Europa stimulieren, die das alles Angela Merkel in die Schuhe schieben. Angela Merkel und vor allem ihr Finanzminister Wolfgang Schäuble folgt nur den eingefahrenen Ritualen der inzwischen einflusslosen Bundesbank. Aber sie muss umsteuern, bevor in Europa immer mehr Extremisten das Sagen haben.

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