Der Ruf nach Säkularisierung

Der Terror im Namen des Islam muss die Vollendung der Trennung von Kirche und Staat zur Folge haben, nicht mehr Religion und Kirchen-ähnliche Privilegierung von Islam-Verbänden.

Ein paar Tage liegen die Anschläge von Brüssel nun zurück. Der Schock sitzt tief und die Menschen gehen auf verschiedene Art und Weise damit und mit ihrer Trauer um. Bereits wenige Stunden nach den Anschlägen las man dann auch sie wieder: Sätze wie „Pray for Brussels“. Bereits nach den Anschlägen von Paris waren viele Menschen der Meinung, dass Gebete jetzt genau das sind, was wir in diesen düsteren Stunden benötigen, dass es das ist, was Halt geben kann. Dabei sollten uns genau jene schlimmen Auswüchse von Religion zeigen, dass wir eines genau nicht brauchen: Noch mehr Religion.

Bitte keine Religion

In der Wissenschaft spricht man schon lange von postsäkularen Zeiten, der Revitalisierung von Religion. Dem SPIEGEL war das Thema diese Woche eine Titelstory wert. Und natürlich bezieht man sich hierbei zumeist auf den Islam, aber gerade auch in Abgrenzung zum Islam, der mit ihm verbundenen Kultur und ihrer Werte, in Anbetracht der zunehmenden Terrorbedrohung, entdecken auch Gläubige anderer Religionen ihren Glauben für sich wieder. Dort, wo der Mensch sich wieder zunehmend machtlos fühlt, die moderne Gesellschaft augenscheinlich keine Antwort zu geben vermag, ist Religion bis heute die Zuflucht, der Halt für viele Menschen. Das war vor Hunderten von Jahren so, als man sich die Welt noch kaum anders erklären konnte und das ist auch heute so.

Mag sein, dass Religion tatsächlich als Krücke gegen die eigene Furcht taugt. Dennoch sollte sie Privatsache bleiben. Mir ist es herzlich egal, wer zu Hause für sich betet. So lange ich damit in Ruhe gelassen und der Glaube die Menschen nicht radikalisiert, kann jeder im privaten Rahmen tun, was er tun möchte. Wenn wir eines jedoch nicht brauchen, dann eine gesellschaftliche Wiedererstarkung der christlichen Kirchen. Die Antwort kann nicht mehr Christentum auf staatlicher Ebene lauten. Stattdessen sollte die Säkularisierung weiter voranschreiten. Und das eben nicht nur in Bezug auf das Christentum, sondern vor allem in Bezug auf jene Religion, an die man sich hier auf staatlicher Ebene bis jetzt kaum herangetraut hat: den Islam.

Machtfaktor Islam

Gerade wenn man in der Politik nicht müde wird, zu betonen, dass der Islam zu Deutschland gehört (obgleich man darüber immer noch streiten kann und muss), sollte man sich des Einflusses des Islams auf einen Großteil der Bevölkerung mit Migrationshintergrund bewusst sein. Dabei ist die Durchsetzung der Säkularisierung gerade in Bezug auf den Islam eine ambivalente Aufgabe. Zum einen hat man es hier seit Jahrzehnten versäumt, eigene „europäische“ Imame auszubilden und zu verstehen, was in Moscheen, Koranschulen etc. abläuft – schon wegen der Sprachbarriere. Man hat den Islam komplett den Muslimen und vor allem dem ausländischen Einfluss überlassen, der zumeist deutlich radikaler ist als alles, was man hier sonst in Bezug auf den Islam vorfindet.

Dieses Fehlen eines Euro-Islams führt bis heute dazu, dass man nicht weiß, was eigentlich in den islamischen Gemeinden genau vor sich geht. Man weiß nur, dass die salafistische, die radikal-islamistische Szene rasant wächst. Dass nicht wenige daraus zum IS gereist und teils als Rückkehrer zurück in dieses Land gekommen sind. Dass die Attentäter von Paris und Brüssel nicht erst in Syrien und Co. radikalisiert worden sind, sondern hier mitten in Europa. In Moscheen und von Hasspredigern, die bei uns Narrenfreiheit besitzen und um die man sich viel zu lange nicht gekümmert hat. Wir wissen von Molenbeek und dass es auch bei uns die Möglichkeit solcher Viertel gibt. Dass auch wir bereits No-Go-Areas in Städten und Stadtteile mit massiven Parallelstrukturen besitzen, die sich nicht zuletzt auch auf das religiöse Treiben in den Moscheen ausdehnen.

Man könnte sich auch fragen, warum es in den USA keine Muslim-Ghettos gibt, keine Molenbeeks, sondern fast alle Muslime Amerikaner samt Flagge und allem drum und dran sind, aber das verdient eine eigene Betrachtung. Und auch die Frage der Massierung des Terrors im Namen des Islam bleibt.

Der Islam ist keine Privatsache mehr

Insofern könnte man fast sagen, dass der Islam in Deutschland und in Europa insgesamt zu sehr zur Angelegenheit der Muslime erklärt wurde, in die man sich nicht einmischte. Der Islam müsste, soll sich ein halbwegs modernen Euro-Islam etablieren, zunächst einmal für die Gesellschaft einsehbar werden. Zugleich müsste der ausländische Einfluss, insbesondere Saudi-Arabiens und der Türkei massiv begrenzt werden. Der Staat und die Zivilgesellschaft müssen beginnen, die religiös getarnten Parallelgesellschaften aufzudecken und denen die Freiheit zu nehmen, die gegen unsere freiheitliche Ordnung sind. Die diese ihnen gewährte Freiheit unter dem Deckmantel der Religion ausnutzen, um unsere Freiheit sukzessive einzuschränken.

Dabei geht es nicht um einen „ staatlichen Islam“, eine staatliche Kirche, sondern um Transparenz, die für die Sicherheit aller zunehmende Bedeutung gewinnt. Verbote für Hassprediger und Schließungen von Moscheen wie in Essen geschehen, müssen konsequent vollzogen werden, sobald der Verdacht besteht, es könne sich um eine Brutstätte des radikalen Islams handeln. Die Terrornester Europas müssen mit Vehemenz und nachhaltig ausgetrocknet werden. Es darf nicht weiter sein, dass auf dem Boden der europäischen Toleranz, Menschen eine Plattform gegeben wird, die andere radikalisieren. Die Propaganda des IS im Internet kann man nicht verhindern, aber sehr wohl die europäischen Anlaufstellen für junge Männer, die sich spontan davon angezogen fühlen. Es ist ein größerer Schritt, vom heimischen PC direkt zum IS nach Syrien zu fliegen als von dort aus in die nächste Moschee zu gehen. Dieser Mittelweg muss gekappt werden, und wer dann immer noch den Drang verspürt, zum IS nach Syrien zu reisen, der kann gerne seinen Pass an der Grenze abgeben.

Für ein Burka-Verbot und ein Behandlungs-Gebot

Die Aufgabe, den Islam in Europa zu „de-radikalisieren“ liegt also zunächst beim Staat, der das Grundgesetz auch dort durchsetzen muss, den Moscheevereinen, die sich öffnen müssen und der Zivilgesellschaft, die das Tun und Handeln kritisch unter die Lupe nehmen muss. Es ist evident, dass muslimische Verbände hierbei keine verlässlichen Partner sind. Zumindest nicht in dem Maße, als dass man sie mit der Aufgabe alleine lassen könnte. Die Islamverbände möchten ähnliche Privilegien, wie sie das Reichskonkordat den Christlichen Kirchen verschaffte (der staatliche Einzug der Kirchensteuer an der Spitze). Der säkulare Staat muss alte Religions-Privilegien abschaffen, nicht weitere Religionen damit ausstatten.

Erst wenn man den Islam in seinen radikalen Zügen eingedämmt hat, kann man überhaupt wirksam Säkularisierung betreiben. Es nützt nichts, in Bereichen des Öffentlichen zur Einhaltung von Gesetz und Regeln und aufzurufen, wenn man die innerislamischen Strukturen nicht durchdringt. Eine konsequente Trennung von Kirche und Staat funktioniert nur, wenn der Staat eine Ahnung davon hat, was in den Gotteshäusern stattfindet. Ansonsten doktert man weiter nur von außen an den Symptomen, an den radikalen Auswüchsen des Glaubens herum, ohne genau zu wissen, was die wirklichen Ursachen des Problems sind, wenn junge Muslime sich hierzulande zunehmend radikalisieren. Und selbst hier ist man noch zu inkonsequent. Die vielen Zugeständnisse gegenüber dem Islam belegen das. Ein Kopftuchverbot im öffentlichen Dienst müsste her. Genauso wie ein generelles Nikab- und Burkaverbot. Gebetsräume haben an Universitäten genauso wenig zu suchen, wie die Weigerung als Frau im Beruf, männliche Kunden zu bedienen oder sich als muslimischer Mann nicht von einer Ärztin versorgen zu lassen.

Auch den Anhängern des Islams muss endlich klar gemacht werden, dass Religion Privatsache ist und dass dieses Private sich nicht auf das radikal-islamische Treiben in den Moscheen bezieht, sondern auf die Ausübung von Religion und die Anspruchshaltung in der Öffentlichkeit, sofern diese gegen unsere freiheitlichen, demokratischen Werte spricht. Zusammen mit dem Zwang zur stärkeren Transparenz der muslimischen Gemeinden entzieht man den Radikalen damit sowohl den öffentlichen Raum als auch den Raum innerhalb der eigenen Community. Es muss deutlich gemacht werden, dass Deutschland weder dort, noch auf offener Straße einen radikalen Islam duldet.

Aber nicht nur in Bezug auf den Islam sollte Säkularisierung das Gebot der Stunde sein. Wenn wir eines nicht nach religiös-motivierten Anschlägen brauchen, dann Gebete. Dem Glauben fehlt per se die Rationalität. Die Irrationalität des einen Glaubens bekämpft man demnach nicht mit der Irrationalität des anderen. Das ist der denkbar schlechteste Ratgeber. Ein Kampf der Religionen wäre ein Desaster, da keine Religion gegen die andere mit Mitteln der Rationalität gewinnen kann. Denn keine kann ihre alleinige Gültigkeit belegen. Der Glaube an den einen Gott, kann sich nicht als schlauer und dadurch durchsetzungsfähiger erweisen als der Glaube an den anderen Gott.

Religiöse Moral ist per se von Abgrenzung und Intoleranz geprägt. Die Trennlinien würden sich nur verschärfen, wenn unsere Antwort auf den radikalen Islam die Revitalisierung der christlichen Religion ist. Der eine religiöse Zwang sollte nicht durch den anderen ersetzt werden. Die wirksamste Bekämpfung des radikalen Islams ist und bleibt, die Errungenschaften der Trennung von Staat und Kirche, die Werte der Aufklärung entschieden zu vertreten. Die Freiheit dem Zwang gegenüberzustellen und diese Freiheit mit allem zu verteidigen, was wir haben. Sie hat sich gegenüber dem Christentum durchgesetzt und sie wird sich gegenüber dem Islam durchsetzen. Sie sollte Ratgeber, Richtschnur sein. Nicht der Glaube. Gebete werden keine Anschläge verhindern, säkulare Maßnahmen auf Grundlage der Vernunft sehr wohl.

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