Antworten 1: Deutsch sein, was ist das für Sie ganz persönlich?

Hier das erste Antwortpaket. --- Zur lockeren Volksbefragung laden wir weiter herzlich ein.

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Das schickten uns unsere Zeitgenossen: Wir bitten weiter um Beiträge, die Erzählung Ihrer Großmutter, Fotos, die für Sie typisch Deutsches darstellen. Was immer Ihnen in den Sinn kommt, spontan, ernst oder witzig, wie Sie wollen. Zu dieser Lockerungsübung von Volksbefragung laden wir herzlich ein.

73, männlich, Gelsenkirchen-Köln-Berlin: Manche nennen es Identität. Ich nenne es Herkunft.

Deutsch sein, was ist das? für mich ganz persönlich..

Zunächst einmal ist es das Adjektiv, das den Sozialisations- und Assoziationsraum näher beschreibt, in den ich vor 73 Jahren hineingeboren wurde und in dem ich seither lebe und arbeite und dessen Sprache ich als Mutter- und Vatersprache gelernt habe. Dieser Raum prägt mich sicherlich stärker, als man sich das als Möchtegern-Weltbürger oft eingesteht. Welche Einflüsse und Bestandteile damit im Einzelnen verbunden sind, erschließt sich nur unvollkommen. Man ist eben Kind seiner Zeit und seiner Umgebung. Und man muss lernen, damit umzugehen mit allem was dazu gehört. Und es gehört vieles dazu: Geschichte, Poesie, Musik, Literatur, Politik, Macht und Ohnmacht, Menschen-verachtendes Verbrechertum und geniale Kunst.

Und dann ist es das Adjektiv für den politischen und demokratischen Zusammenhang, in dem ich als Bürger mit anderen Bürgern stehe. Im Namen dieser Bürger verfolgt eine durch die Verfassung legitimierte Regierung „deutsche Interessen “. Ob das immer auch meine ganz persönlichen Interessen sind, steht dahin. Jedenfalls kann man sich kaum davon lösen, dass auch im eigenen Namen solche Interessen in ganz unterschiedlicher Weise verfolgt und vertreten werden. Auch hier erschließt sich der volle Inhalt der damit verbundenen Fragen nur unvollkommen. Zuviel ist notwendigerweise delegiert, als dass man sich einbilden dürfte, es unter wissender Kontrolle zu haben. Und doch ist gerade diese Kontrolle eine große Herausforderung und Notwendigkeit.

Schließlich ist „deutsch“ eine Zuschreibung von außen, so wie man selbst geneigt ist „englisch“ oder „französisch“ schnell und praktisch als Zuschreibung für Menschen, Dinge und Eindrücke zu verwenden, die anders sind als das, was man gemeinhin als „deutsch“ bezeichnen würde. Auch diese Zuschreibung ist höchst unvollkommen und voller Vor-Urteile, aber auch damit muss man leben und man lernt damit zu leben.

Für mich ganz persönlich ist „deutsch“ kein Wort, das übermäßiges Hochgefühl und Freude, aber auch keines das Ängste und Beklemmungen auslöst. Es ist, was es ist: ein Adjektiv mit vielfacher Verwendungsmöglichkeit. Mit hohem Missbrauchs- und Abgrenzungspotential, aber auch mit angenehmen Seiten. Das Adjektiv auf mich als Person angewandt bezeichnet wahrscheinlich mehr, als mir immer bewusst und auch lieb ist. Ob ich will oder nicht: Wahrscheinlich bin ich durch mein Verhalten, meine Art zu Reden und zu Handeln von außen als Deutscher erkennbar. Und das geht ja so weit, dass bei genauem Hinhören und Hinsehen und Beobachten eine noch viel engere geografische, soziale und politische Einordnung auch bei mir möglich ist. Insoweit ist also „deutsch“ ein Begriff auf einer Skala, an deren einen Ende der aufgeklärte global denkende und handelnde Weltbürger steht und deren anderes Ende von dem ganz kleinen Heimatort bestimmt ist, in dem die ersten Eindrücke von Mensch und Natur auf das junge Menschenkind eingewirkt haben. Was das ganz genau und zu jedem Zeitpunkt in mir selbst bewirkt, das weiß ich nicht, aber ich versuche zumindest, es mir bewusst zu machen.

Mein Vater- und Mutterland ist durch dieses Wort „deutsch“ näher beschrieben. Ich habe kein anderes. Also kann ich mich von allem, was „deutsch“ ist, auch nicht so lösen, als hätte es dies nie gegeben. Ich kann Nähe und Distanz suchen, aber ich bleibe diesem Raum verhaftet. Manche nennen dies Identität. Ich nenne es Herkunft. Da komme ich her.

Es bleibt die Frage, wohin man geht mit dieser Herkunft.

56, weiblich aus der Oberpfalz: Jeder macht’s, wie er’s macht, jeder ist, wie er ist.

In erster Linie bin ich auch das, Bayerin. Deutsche bin ich nicht, das kann ich nicht sein, Deutsche sind zu verschieden. Seit wir so viele Ausländer hier haben, bezeichne ich die Menschen in Deutschland auch nicht mehr als Deutsche, sondern als Deutschländer.

Das sind die Menschen, die gerne in Deutschland leben, die Deutschland gut finden oder wenigstens ok, die hier leben wollen. Egal welcher Herkunft. Natürlich bin ich auch Deutschländerin.

Als Deutschländer ist man für Demokratie, für Sicherheit, für Regelungen, für Meinungsfreiheit, theoretisch, für Gleichberechtigung. Freiheit schätzt man nicht so. Kann man aber dafür sein.

Man bildet sich ein, Deutschländer wären besonders sauber und fleißig. Das stimmt aber schon lange nicht mehr.

Meiner Meinung nach sind deutsch gebürtige Deutschländer vor allem eines: verstört. Die Pest wirkt noch nach, die beiden letzten großen Krieger. Sie sind konfliktscheu. Sie sind „gut“ – egal in welcher Richtung, ob grün, christlich, rechts oder links – gut sein ist alles. Man tut das RICHTIGE. Alles sehr moralisch.

Die Bayern hier in der Oberpfalz wo ich lebe und herkomme, sind hochsensibel und deshalb oft schon bei kleinen Unsicherheiten unfreundlich. Ich hab aber auch jede Menge anderes meist bayerisches Blut in mir. Und einen Schuß französisches, 200 Jahre alt. Aber die Oberpfälzer wollen sich auch nicht streiten, eben weil sie so sensibel sind. Sie sind zusätzlich auch stur. Und außerordentlich freiheitsliebend. Drum sagen die klugen Oberpfälzer, wenn jemand was ungewohntes macht oder sagt: „Der machts halt, wie er’s macht“, oder „Die is halt, wie sie is“. Weil sie wollen’s auch machen, wie sie’s machen und sein, wie sie sind.

Diese Einstellung täte den anderen Deutschen auch gut.

Und das ist das, in was man sich integrieren könnte. Jeder macht’s, wie er’s macht, jeder ist, wie er ist.

55, männlich aus Frankfurt: Sekundärtugenden sind wichtig

Da muss ich mal nachdenken…..ich fühle mich sowohl als Deutscher als auch als Europäer.

Was ich in Deutschland ausgeprägter finde als in den meisten anderen Ländern (außer Schweiz und vielleicht auch Österreich), sind „Sekundärtugenden“ wie Pünktlichkeit, Ordnung, Fleiß….., die ich für durchaus wichtig halte, wenn man ökonomisch erfolgreich sein will.

Das, was man früher mit Deutschland verband, ist ja vielfach nicht mehr existent und hatte auch weniger mit „deutsch“ zu tun als mit dem, was den Deutschen von ihren depperten Eliten eingeimpft wurde, insbesondere Militarismus (unsere Bundeswehr mit ihren 2 funktionsfähigen Panzern, 3 fliegenden Helikoptern…ist nur noch eine Lachnummer, trotz horrender Kosten).

45, weiblich aus Halle: mit Normalmaß bitte

Meine Urgroßeltern haben beide großen Weltkriege des letzten Jahrhunderts miterlebt. Beide waren ab 1918 Mitglied der KPD und mein Urgroßvater hat als Kommunist in den 1930 gier Jahren deswegen  im Zuchthaus gesessen. Nach dem Ende des 2. Weltkrieges sind die Urgroßeltern (in Mitteldeutschland lebend) selbstverständlich in die SED eingetreten, denn sie wollten, dass so etwas Schreckliches nie wieder in Deutschland passiert. Ihre Kinder, Enkel und Urenkel haben sie in diesem Sinne erzogen. Voller Leidenschaft haben sie sich in den 1950er und 1960er Jahren für dieses bessere Deutschland namens DDR engagiert.

1989 nahm ich als Studentin natürlich an den Montags-Demos teil, die sich gegen genau das Land richtete, dass meine Urgroßeltern so überzeugt, das Richtige zu tun, mit aufgebaut haben. Nach einer solchen Demo habe ich meine Urgroßmutter besucht und ihr davon berichtet, besorgt, dass sie mich dafür verurteilen würde. Ihre Reaktion hat mich dann überrascht, denn sie war stolz auf mich. Sie sagte wörtlich: „ Für so ein Land, (wie die DDR)  für so einen Sozialismus haben wir nicht gekämpft. Wir Deutschen können wohl nichts mit Normalmaß machen, wir müssen immer übertreiben.“

Jeder weiß, wie die Geschichte endete. Die Montags-Demos haben eine Regierung zu Fall gebracht und die deutsche Wiedervereinigung ermöglicht.

Heute lebe ich in einem Deutschland, dass wieder dabei ist, das Normalmaß zu verlieren. Vielleicht ist das es typisch für uns, Dinge zu übertreiben.

Heute engagiere ich mich wieder dafür, dass wir in unserem Land zur Vernunft zurückkehren.

44, männlich aus St. Leon-Rot:  Ich möchte mir nicht fremd im eigenen Land werden.

Deutschland ist das Land, in dem ich geboren und sozialisiert wurde. Deutschland empfinde ich als Heimat und fühle mich hier überwiegend geborgen und aufgehoben. Ich mag die Menschen hier. Schätze deren Mentalität und Dialekte. Und auch wenn ich keiner Religion angehöre, so schätze ich trotzdem die christlichen Werte und Traditionen (z.B. St. Martin, Weihnachten, Ostern). Und ich bin dankbar, dass wir hier auf der Grundlage unseres Grundgesetzes, für das unsere Eltern und Großeltern lange gestritten haben, ein weitgehend friedliches Zusammenleben genießen dürfen. Mit all den sich daran anschließenden Werten. Und ich mag die Vielfalt der Natur, Kultur und Musik in und aus Deutschland.

Deshalb finde ich: Wir Bürger hier in Deutschland haben auch das Recht, diese Heimat bewahren zu wollen! Einen gesunden Patriotismus empfinden dürfen, der nichts mit einer völkischen und menschenverachtenden Ideologie zu tun hat. Dies ist unser Land,  auf das wir stolz sein können und in dem wir uns zu Hause fühlen dürfen. Auf diesem Hintergrund finde ich auch die Frage, wieviel Fremde mit anderen Kulturen zu uns passen, sehr berechtigt und diese Fragen zeugen nicht von FremdenFEINDlichkeit oder Rassismus, sondern davon, dass man seine Heimat bewahren und erhalten möchte, in der man aufgewachsen ist.

Und jeder, der mal versucht hat, sein eigenes Verhalten zu verändern, weiß, wie schwer das ist und wie lange es braucht. Wenn ich dann auf dem Hintergrund höre, dass Politiker oder Medien so mir nichts Dir nichts von schneller Integration und Hauptsache Deutschkurs machen reden und glauben, dass das bereits die halbe Miete der Integration sei, da finde ich, geht das an der Realität der Menschen mehr als vorbei.

Lasst uns unser schönes Land, unsere Heimat bewahren und trotzdem Menschen, die unmittelbar von Krieg verfolgt werden, Heimat geben. Aber lasst uns auch mit dem Verstand an diejenigen herangehen, die unter den Begriff Zuwanderung zu uns kommen und die vielleicht eher dazu beitragen sollten, dass sie ihre Heimat aufbauen und zu einem lebenswerten Ort machen. Alles mit Herz und Verstand. Aber nicht grenzenlos.

Ich möchte mir nicht fremd im eigenen Land werden.

45, weiblich aus Bonn: gute Nachbarschaft

Was ich mit Deutschland verbinde: (allerdings mehr aus der Vergangenheit) • Straße fegen am Samstag, Schneeräumen, damit keiner fällt • Verlässlichkeit auf Pünktlichkeit • Sauberkeit (Städte, Straßen etc) – gehört aber der Vergangenheit an • Ruhezeiten (Lärmreduktion in der Nacht) ein jeder hat auch ein Recht auf Ruhe • Spielplätze frei und kostenlos • freien Schulunterricht • Kindergärten • Katastrophenhilfe, freiwillige Feuerwehr, Krankenwagen etc. Wenn man plötzlich in Not ist, ist immer jemand da, der hilft. • Winterdienst • Strukturelle Ordnung; freie Meinungsäußerung • Sonntagsruhe • Müllabfuhr und Verwertung, den Ordnungsdienst dazu, der eine Auge daraufhält, dass die Landschaft nicht vermüllt • staatliche Autobahnen • früher die Nachbarschaft, alles man noch den linken und den rechten Nachbarschaft kannte und ganz früher, dass man noch sein Häusle selber bauen konnte • bisher noch ein gutes Krankensystem, Notfallpraxen, Notfallambulanzen •  und noch vieles mehr.

64, männlich aus Frankfurt: Liebenswertes Land und achtenswertes Volk

Die Würde des Menschen ist unantastbar • Unsere Nationalhymne – Text der 3. Strophe • Stolz und Verantwortung auf unsere geschichtlichen Wurzeln in Europa. Mit allen Höhen und Tiefen/Abgründen. Dankbarkeit für das Vertrauen nach dem 2. Weltkrieg. Gute Nachbarschaft und Freundschaft mit unseren Nachbarn, allen voran Frankreich und Polen, zu den USA und zu Israel • Ächtung von Rassismus und Diskriminierung und jeglicher Form des Antisemitismus • Freiheitlicher Rechtsstaat, liberale und föderale Demokratie. Ächtung der Todesstrafe. Nicht Racheprinzip oder Sühne von verletzter (Familien-, Clan-) Ehre • Gewaltmonopol des Staates. Gewaltenteilung und vielfältige und freie Medien • Hölderlin – stellvertretend für die herausragende deutsche Kultur ( Literatur, Musik, Kunst, Architektur) • Weitestgehendes Fehlen von Gewalt im öffentlichen Umgang und in Familien und im Erziehungswesen • Ächtung und strafrechtliche Verfolgung von Korruption • Militär, Polizei, Geheimdienste und Behörden/Institutionen, denen man vertrauen kann • Trennung von Staat und Kirche, bedeutende Rolle der christlichen Kirchen in der Öffentlichkeit, im Sozial-, Bildungs- und Gesundheitswesen • Gleichstellung von Mann und Frau. Wert und Stellung der Familien, aber keine Clans und Parallelgesellschaften • Keine Diskriminierung. Religionsfreiheit und Meinungs- und Demonstrationsfreiheit. Toleranz und Offenheit für Fremdes • Leistungsbereitschaft und Leistungsfähigkeit, Fleiß, hohes Bildungsniveau und Erfindergeist, Organisationstalent • Sparsamkeit und sorgfältiger Umgang mit (natürlichen) Ressourcen • Ordnung, Sauberkeit und pfleglicher Umgang mit öffentlichen und Gemeinschaftsgütern • Achtung und Schutz des Privateigentums • Soziales Unternehmertum, Familienunternehmen, Mittelstand, Handwerk • Hervorragendes und differenziertes Bildungssystem, duale Berufsausbildung • Ehrenamtliches Engagement und Vereinswesen. Hilfs- und Spendenbereitschaft • Unabhängige Parteien und Gewerkschaften • Regionale Vielfalt und regionale Identität. Unsere Städte und Gemeinden • (Hoffentlich auch in Zukunft:) Geringe Neigung zum Radikalismus • Leicht versponnener Pazifismus und Gutmenschentum • Scheu vor Durchsetzung nationaler Interessen, schon gar nicht mit militärischen Mitteln • Zu viel Sozialstaat und zu wenig Eigenverantwortung • Liebenswertes Land und achtenswertes Volk • Alles Errungenschaften, die bewahrt und verteidigt werden müssen.

51, weiblich aus Freiberg: Sinn für Gleichheit und Gerechtigkeit

Deutschsein wird in Deutschland nicht geschätzt, dass wäre also das erste. Ansonsten lernt man am besten was Deutschsein ist, wenn man ins Ausland fährt und nicht nur Urlaub dort macht. Eine wesentliche Eigenschaft der Deutschen ist der Sinn für Gleichheit und Gerechtigkeit, wenn schon, dann für alle. Auf der Suche nach dem für alle gültigen gerechten Urteil/Gesetz, der für jeden gerechten und gleichen, gemäß seiner Leistungsfähigkeit, Steuer, erschaffen wir Bürokratie-Monster, die mit deutscher Gründlichkeit bearbeitet werden. Als Gegenpol zur Gleichheit und Gerechtigkeit bedeutet Deutschsein auch Neid und Mißgunst, was andere angeht. Schliesslich soll keiner mehr haben als ich ( = Gleichheit!) und außerdem haben die das gar nicht verdient (Gerechtigkeit!).

Zumindest bis jetzt kann man sich auf die Antwort einer Behörde, eines Behördenmitarbeiters verlassen, da diese qualifiziert und kompetent sind. Damit auch alles seinen geordneten Gang geht, gibt es tausende von kleinlichen Regelungen, die vorgeben, alles zu regeln. Leider gibt es aber immer noch Schlupflöcher!

Ehrlichkeit sehe ich auch als deutsche Eigenschaft. In Deutschland ist ein „Ja“ ein Ja und ein „Nein“ ein Nein. In vielen Ländern ist man zwar höflicher als in Deutschland, aber die Klarheit und den Mut ein Nein auszusprechen vermisst man dann doch.

In Deutschland soll alles möglichst auf einem höheren Grund beruhen, früher hätte man sich auf Gott und die göttliche Ordnung berufen und damit die Stände begründet, heute muss es aufgrund der Natur der Sache oder der wissenschaftlichen Erkenntnis so sein und damit ist es unabänderlich und ewig.

Bis vor ein paar Jahren hätte ich auch gesagt, dass Bildung und das Interesse an Bildung, Ausbildung, Qualifizierung eine deutsche Eigenschaft sind. Heute ist dem nicht mehr so, es gibt keine Interesse mehr an Bildung, in welcher Art auch immer.

Ich hoffe, dass Ihre Umfrage buntes aber auch erhellendes über die Natur „der Deutschen“ zum Vorschein bringt.

49, männlich aus Bremen: How to play „Germany“

Es geht doch tatsächlich um die DNA und das halte ich ehrlich gesagt für die einzige Chance, „Deutschsein“ auch tatsächlich so zu beschreiben, dass eine Identität erkennbar wird/bleibt.

So sind wir, so wollen wir sein, das sind unsere Regeln. Wie auf dem Fußballplatz, da geht das ja auch und wird von jedem akzeptiert. Sogar weltweit. Nur hier heißt der Schiedsrichter eben Staat und bei Aggro gibt’s die rote Karte – runter vom Spielfeld 😉
Perfekter Ansatz eigentlich. Titel: Spielfeld in den Umrissen Deutschlands, How to play „Germany“

24, weiblich, aus Passau: Großzügigkeit und Präzision

Mülltrennung • Ordnung • Ruhe • Präzision • Sauberkeit im öffentlichen Raum • Currywurst • Bildzeitung • Hundekot auflesen • Fahrradhelme • Radfahren • Grillen • Gerechtigkeit • Skepsis • Sparsamkeit • Großzügigkeit • Ehrenamt • ECHTE Kinderliebe

Orgelpfeifen

 

51, männlich aus Braunschweig: Neubürgern unsere DNA nahebringen

Deutsch sein ist heute zunächst einmal ein schönes Gefühl. In jüngeren Jahren war einem da bisweilen mulmig, besonders im Ausland. Die Nazi-Zeit hatte eben ein schweres Gewicht. In Skandinavien geht mir das heute manchmal noch so: Auch wenn der Gegenüber wahrscheinlich etwas deutsch sprechen kann, bleibt man lieber beim unverbindlichen Englisch.

Also was ist das, deutsch sein?  Vielleicht ist es hilfreich, auch mal zurückzuschauen, wo das eigentlich alles herkommt.

Meine Großeltern waren Deutsche. Und ich entdecke bei meinen Kinder täglich Dinge wieder, die ich ihnen nicht beigebracht haben kann, die ich aber z.B. von meinem Opa kenne. Das ist dann immer mal ein überraschendes Fenster ins Gestern, freilich ohne das mich das sentimentaler machen würde, als andere Deutsche, die ich kenne.

Und ich bin ja aufgewachsen mit diesen ganzen Erfahrungen der Kriegskindereltern, diese vielen geradezu heilig verehrten Sonntagsbraten, diese unausrottbare Wir-haben-den-Russen-und-sogar-den-Tschechen-überlebt-Stimmung an Weihnachten, weswegen die Geschenke für die Kinder immer besonders große waren und die Bratenteller besonders woll waren, damit sie das nicht zu sehr spüren.

Ich erinnere mich gut an diese immer kleiner werdenden Töpfchen im Kühlschrank mit den Resten, die nicht verderben durften und der Marienkäfergummibandplastikhäubchen darüber. Das alles zusammen hat ja etwas  angelegt. Vielleicht ist das Lebensmittellager in meinem Keller darauf zu rückzuführen ebenso, wie dieses zwanghafte Vorgarten gestalten, auch wenn meiner absichtlich immer ganz anders gerät, als der meines Nachbarn, so möchte er doch gefallen.

Ich erinnere mich an staksig-unbeholfene Umarmungen ebenso wie an unüberbrückbare Distanzen, an Abende mit Vater im Sinfoniekonzert, an das bedrohliche Klavier (Unterricht mit dieser strengen alten Frau aus Weißrussland) im Wohnzimmer, Opas russische Lieder ab 1,0 Promille aus der Kriegsgefangenschaft.

Dieses Netz aus Erinnerungen und eigenem Erleben hat ja unendlich viele feine Maschen, manches fällt durch, kommt hinzu, anderes bleibt über Generationen hängen. Wer weiß, vielleicht war das „herzallerliebst“ als Ausdruck großer Freude meiner Großmutter schon das ihrer Großmutter, die morgendliche „Weisheit“ vor dem Frühstück vorgelesen von der Rückseite des Zettelchens vom Abreißkalender, die karierten steifen Küchentücher, der Schleifstein für die Messer im Schuppen – Es ist doch ein unendliches Kaleidoskop inkl. der Geschichten des Opas am Morgen im Bett von seiner Chinafahrt als Schiffskoch zwischen den beiden Kriegen, von der Kaffeeplantage in Südwest.

Deutsch sein erklären, das ist wohl so, als müsse man mit dem einzelnen Fisch in der Hand das Phänomen dieser artspezifischen großen Schwarmbewegungen im Ozean erklären. Und natürlich gibt es auch eine wie auch immer gewichtete genetische Disposition, wer vier Kinder hat, kommt um diese Erkenntnis nicht herum – aber das ist aus gutem Grunde tabu, also müssen wir den Geschmack des Kuchens anhand der Beschaffenheit und Herkunft des Weizenskorns und jeder weiteren einzelnen Zutat erklären. Aber noch wichtiger: Wir müssen Neubürgern die Chance geben, zu verstehen, wie Deutschland codiert ist – wie die DNA aufgebaut ist. Nur dann können wir synchron schwimmen lernen.

52, aus Bayern, Mann: friedlich, aber passt’s auf

Es ist schön – Österreich im Hintergrund. Und trotzdem.

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46, männlich aus Hamburg: Plan und Pünktlichkeit

Sicherheitsbedürfnis • Versicherungsmentalität • Risikominimierung • Demokratie • Pressefreiheit • Freie Wahlen • grundsätzlich christliche Werte (auf dem untersten Level – also nicht zwingende dieser ganze Glaubens-/ Religionsernst) • Meinungsfreiheit • Religionsfreiheit • Gleichstellung der Geschlechter (jedenfalls auf dem Weg dahin – bzw. keine mehrheitlich geduldete Unterdrückung der Frau) • Norm – dazu gehört aber auch Spießigkeit (Schrebergarten-Mentalität) • Grundgesetz – Alles ist geregelt – was nicht geregelt ist wird noch geregelt • Daher nachvollziehbare juristische Entscheidungen – Keine bestechliche Beliebigkeitsjustiz • Struktur • Plan • Pünktlichkeit • Schlange mit hinten anstellen / parallel dazu aber auch die Ellenbogen–Wühltisch Mentalität • Technikverliebtheit • Intellektuelle Stärke (Dichter/Denker/Forschung u. Wissenschaft) • Kultur (abendländisch, traditionell) • Humanitär (in maßen– solange es nicht zu weh tut) • Regulierungsverliebtheit • Formularismus • unkorrupte Staatsdiener (im groben jedenfalls , und verglichen mit anderen – eher südländischen – Gesellschaften) • Keine Subkulturen – der Staat hat die Macht • Teambildungsanspruch im Sinne von Europa • offen • historisch sicher (im Umgang mit 3. Reich etc.)

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Über das Deutsch-sein lässt sich endlos theoretisieren. Doch theoretisch wollen wir es von Ihnen gar nicht wissen. Sondern was macht für Sie ganz praktisch Deutsch-sein aus? Wohin sollen sich denn Migranten integrieren? Ist es nur die Sprache und die Gesetze der Mülltrennung? Was sind deutsche Werte, was macht die Leitkultur dieses Landes aus? Die Forderung nach Integration ist schnell hingesagt, und schwer realisiert. Was ist Ihr Deutschlandbild?

Dazu bitten wir um Ihren Beitrag, um Ihr Hier und Jetzt mitten in Deutschland, warum nicht auch um die Erzählung Ihrer Großmutter, um Fotos, die für Sie typisch Deutsches darstellen. Was immer Ihnen dazu in den Sinn kommt. Das ist kein Aufsatz-Wettbewerb, sondern die Bitte um Spontanes, so ernst und so witzig, wie Sie wollen. Zu dieser Lockerungsübung von Volksbefragung im oft viel zu tierisch ernsten öffentlichen Schlagabtausch laden wir Sie herzlich ein.

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