AfD-Programm-Entwurf: Juristisch konservativ

Insgesamt entsprechen im Abschnitt „innere Sicherheit und Justiz“ die Programm-Forderungen der AfD im Wesentlichen denen konservativer Innenexperten anderer Parteien.

Schlagzeile "BildamSonntag" am 17.1.2016
In dem dritten Abschnitt ihres Programmentwurfs setzt sich die AfD mit „Innere Sicherheit und Justiz“ auseinander. Anders als aus ihrer zuvor ablesbaren Zusammenlegung von Innerer und Äußerer Sicherheit scheint die AfD hier nun doch voneinander zu unterscheidende Aspekte zu erkennen und eine Vermengung von Landesverteidigung und Polizeiaufgaben nicht anzustreben.

Die AfD steigt ein mit dem Satz „Wir wollen den Rechtsstaat stärken und dem Recht wieder zur Durchsetzung verhelfen.“ Im Nachfolgenden werden klassisch-konservative Erwartungen an die Innere Sicherheit definiert, ohne dabei auf die revolutionäre Dynamik, die in diesem Programm immer wieder einmal durchschimmert, gänzlich zu verzichten: „Die AfD fordert einen ‚sicherheitspolitischen Befreiungsschlag‘!“

Diesem hätten sich andere Belange unterzuordnen – ohne dass jedoch erläutert wird, welche Belange damit konkret gemeint sind. Damit wird die AfD einmal mehr angreifbar, denn am Ende könnte staatlich gewährleistete Sicherheit beispielsweise vor individuellem Freiheits- und Minderheitenrechten stehen. Ob und wie weit hier insbesondere liberale Geister mit auf die Brücke der vorgeblich liberal-konservativen AfD gehen, bleibt abzuwarten.

Vorrang für Sicherheit

Mit Blick auf die Polizei bemängelt die AfD den anhaltenden Personalabbau und fordert die Aufstockung der Stellenpläne. Gleichzeitig soll – auch das ist legitim – in den Kriminalstatistiken nicht länger nach „politisch korrekten“ Vorgaben verschleiert werden.

Die Möglichkeit der Untersuchungshaft soll nach dem Willen der AfD künftig für alle Straftatverdächte gelten, die mit Freiheitsstrafen von mindestens einem Jahr belegt sind. Gerichtsverfahren und Revisionen sollen zeitnah und zügig erfolgen.

Angriffe auf Amtspersonen sollen härter bestraft, organisierte Kriminalität nachhaltig bekämpft werden.

Für die AfD steht Opferschutz eindeutig vor Täterschutz, weshalb trotz des von der AfD hier befürworteten Guts der informellen Selbstbestimmung der Datenschutz für „Täter“ nicht gelten soll. Unterstellen wir bei dieser Formulierung, dass die AfD mit „Täter“ rechtskräftig verurteilte Personen meint, und nicht bereits Angeklagte oder Beschuldigte.

Konservative Ziele und Abweichungen

Bis hierhin finden sich beim AfD-Entwurf Forderungen, die im Wesentlichen  kaum anders von der Union formuliert werden. Abweichungen allerdings werden beim Umgang der AfD mit Staatsanwaltschaft, Richtern und Rechnungshöfen deutlich. Hat die AfD sich ursprünglich für eine strikte, klassische Gewaltenteilung ausgesprochen, so scheint sie nun zu verkennen, dass weder Staatsanwaltschaft noch Rechnungshöfe Teil der Judikative sind. Sie legt dieses dar mit ihrer Formulierung „die Unabhängigkeit der dritten Gewalt  muss … ausgebaut werden“, welche sie eben nicht nur auf die Rechtsprechung beschränkt.

Ohne Zweifel kann und sollte angesichts der Einmischung des Bundesministers für Justiz in die Ermittlungsorgane dringend und ernsthaft darüber nachgedacht werden, wie die Ermittlungsbehörden im Sinne ihres Verfassungsauftrages künftig wieder unabhängig von politischer Weisung agieren können – doch sind die Staatsanwaltschaften als im Zweifel anklagende Ermittlungsbehörden notwendig Teil der Exekutive und müssen dieses auch bleiben. Würde die klagerhebende Instanz zum Teil der Judikative, wären wir faktisch bei einem Staatsaufbau, der die Judikative als Instrument der Durchsetzung staatlicher Interessen nicht nur missbrauchen könnte, sondern zwangsläufig missbrauchen müsste. Das aber ist etwas, was die AfD sonst als unzulässige Einflussnahme deutlich ablehnt. Was die AfD hier nun bewogen haben mag, Ermittlungs- und Anklageorgane in die Judikative einzugliedern, wird daher ihr Geheimnis bleiben müssen.

Ähnlich sieht das bei den Rechnungshöfen aus, die als Organ der Landesverwaltung ebenfalls Teil der Exekutive sind. Grundgesetz Art 114 schreibt ihre Weisungsungebundenheit fest, indem es den Mitgliedern des Bundesrechnungshofs judikative Unabhängigkeit garantiert – doch diese Kontrollorgane werden damit nicht zum Organ der Judikative. Ähnlich regeln das die Länder, in denen die Rechnungshöfe heute unabhängige, oberste Landesbehörden der Exekutive sind. Da die Rechnungshöfe letztlich – analog den Staatsanwaltschaften – ermittelnden Charakter einer Binnenrevision haben sollen, ist ihre Eingliederung in die Judikative im bestehenden Staatsaufbau der Bundesrepublik kaum leistbar und möglich.

Waffentragen erlaubt – oder auch nicht?

Explizit befasst sich das AfD-Programm mit dem Waffenrecht und lehnt eine Verschärfung desselben kategorisch ab. Da das bundesdeutsche Waffenrecht bereits recht restriktiv gehalten ist, lassen die weiteren Formulierungen jedoch erahnen, dass es der AfD tatsächlich um eine Lockerung des Waffenrechts geht. So will die AfD die (faktisch nicht vorhandene) „Handlungsfreiheit“ der Bürger bei Erwerb, Besitz und Handhabung von Waffen „bewahren und freiheitsbeschränkende Eingriffe  minimieren“. Die „Kriminalisierung von Waffenbesitz“ schrecke Täter nicht ab, sondern mache „Opfer wehrloser“. Das klingt dann schon ein wenig so, als wenn künftig jeder Bürger im Sinne eigener Gefahrenabwehr den scharfen Revolver in Tasche tragen und es bei dessen Erwerb keinerlei Restriktionen geben solle.

Juristisch konservativ

Insgesamt lässt sich dennoch für den Abschnitt „Innere Sicherheit und Justiz“ festhalten, dass seine Forderungen bei einigen Ausflügen ins Exotische im Wesentlichen denen konservativer Innenexperten anderer Parteien entsprechen.  Hier scheint in der Programmkommission im Wesentlichen der – konservative – Sachverstand die Oberhand über den revolutionären Geist der Systemveränderer behalten zu haben.

Bisherige Beiträge zum Programm-Entwurf der AfD:

 

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