TTIP: Schiedsgerichte nicht nur für BUND und ver.di

Schiedsgerichte sind nicht ungewöhnlich, und schützen Menschen und Investoren vor dem Zugriff der Staaten. Sie schaffen Rechtssicherheit und kontrollieren staatlich bestellte Richter.

Kritiker des Freihandelsabkommens TTIP formieren sich. Nicht erst seit der Großdemonstration am 10. Oktober in Berlin. Von links bis rechts gehen Tausende auf die Straße und malen die Knechtschaft des Kapitalismus an die Wand. Sozialabbau und Umweltverschmutzung seien die Folgen, und die Großkonzerne würden sich über internationale Schiedsgerichtsverfahren am Steuerzahler schadlos halten. In dieses Horn blies am Montag auch die ARD in der Sendereihe „Die Story im Ersten“. „Konzerne klagen – wir zahlen“ war der Titel und auch der ausschließliche Inhalt der halbstündigen Sendung. Eine Differenzierung war der dem Grundversorgungsauftrag verpflichtete „Arbeitsgemeinschaft der öffentlich-rechtlichen Rundfunkanstalten der Bundesrepublik Deutschland“, neudeutsch ARD, erst gar nicht eingefallen.

Ein Skandal vom Typ „ARD“

Stattdessen wurde „investigativ“ dargestellt, dass Anwaltskanzleien in den USA sich auf internationale Schiedsgerichtsverfahren spezialisierten und damit viel Geld verdienen. Wer hätte das gedacht? Skandal! Was sagen die Autoren denn dazu, dass sich hierzulande Anwälte auf Ehescheidungen oder Nachbarschaftsstreitereien konzentrieren und damit gutes Geld verdienen. Das kann doch nicht richtig sein, oder?

Schiedsgerichte sind richtig und notwendig. Sie sind auch nichts Ungewöhnliches. Der Kaninchenzüchterverband hat eins, der „Bund für Umwelt und Naturschutz“ (BUND) hat eins und der Deutsche Gewerkschaftsbund hat auch eins. Deren private Gerichte tagen nichtöffentlich, ihre Richter müssen nicht im Hauptberuf Richter sein und eine Revision vor einem ordentlichen staatlichen Gericht ist ebenfalls nicht möglich. Kein Vereinsmeier und kein Gewerkschaftsfunktionär käme deshalb auf die Idee, diese privaten Schiedsgerichte an einen staatlichen Gerichtshof zu verlagern. Und der DGB würde mit Recht sagen: „Was interessiert das den Deutschen Arbeitgeberverband wie wir unsere internen Streitigkeiten beilegen?“

Internationale Schiedsgerichte schützen Eigentümer vor dem willkürlichen Zugriff des Staates auf sein Hab und Gut. Das passiert nicht nur in Bananenrepubliken oder bei despotischen Herrschern, sondern überall wo der Rechtspositivismus wütet. Immer dann, wenn sich politische Mehrheiten ändern und die neuen Machthaber aus ideologischen Gründen das Eigentum Einzelner aushöhlen, mit Auflagen versehen oder kalt enteignen wollen.

Methoden ändern sich, nicht die Ziele

Die Methoden sind in unserer Hemisphäre vielleicht etwas subtiler, eleganter und gewiefter. Das Ergebnis ist jedoch das Gleiche: die Mehrheit greift dem Einzelnen in die Tasche. Dass dies Unternehmen, die ihre Waren und Dienstleistungen anderen auf dieser Welt anbieten wollen, verhindern wollen, ist doch nur gut und richtig. Was spricht dagegen, die Konsumenten dieser Produkte über die Beschaffenheit und Qualität entscheiden zu lassen und nicht die Regierung?

Als Beispiel hat die ARD die Klage des schwedischen Energiekonzerns Vattenfall gegen das Land Hamburg um das Kohlekraftwerk Moorburg angeführt. Der CDU-Senat bewilligte 2005 das Projekt. 2008 verteuerte die grüne Umweltsenatorin mit immer neuen Auflagen die Investition. Dagegen klagte Vattenfall vor einem internationalen Schiedsgericht auf Schadenersatz von 1,4 Milliarden Euro. Dieser Druck führte dazu, dass das Land Hamburg sich auf Vattenfall zubewegte und man sich anschließend außergerichtlich einigte.

Ohne diese Klagemöglichkeit wäre die Investition für Vattenfall unrentabel geworden. Schiedsgerichte schaffen Rechtssicherheit für ausländische Investoren. Sie müssen sich nicht auf nationale Richter verlassen, die vom dortigen Staat bestellt und bezahlt werden.

Gerade Schiedsgerichte sind daher ein großer Verdienst der Freihandelsbewegung auf dieser Welt. Sie disziplinieren Regierungen. Denn jede Rechtsänderung, die enteignungsgleiche Wirkung entfaltet, führt zu Schadensersatzansprüchen der Investoren gegen diesen Staat und seine Regierung. Sie sind ein Entmachtungsinstrument. Sie zwingen die Regierungen und Parlamente, eine zweckunabhängige Rechtsordnung zu schaffen, die für alle gleich ist. Jetzt könnten Kritiker einwerfen, dass diese internationalen Schiedsverfahren heimischen Unternehmen gegenüber der eigenen Regierung versagt bleiben und dies doch ungerecht sei.

Das stimmt, daher ist zu überlegen, ob diese positive Wirkung der Entmachtung des Staates auch auf Unternehmen, Institutionen und Bürger in unserem Land ausgeweitet werden sollte. Warum sollen Schiedsgerichte nur dem BUND, ver.di oder dem Bauernverband vorbehalten sein? Warum nur innerhalb eines Vereins oder Organisation und nicht gegenüber einer Kommune, dem Land oder dem Bund? Die Gleichheit vor dem Recht wäre ein Stückchen mehr realisiert.

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