Keine Toleranz der Intoleranz

Im Fall Akif Pirinçci zeigt sich: Die neuen Medien gewährleisten einen Umfang an Meinungsfreiheit, wie er bisher nicht möglich war. Pirinçci ist kein Opfer, sondern hat unerträgliches Zeug geredet.

Man hört in Deutschland zuweilen den Vorwurf, die Meinungsfreiheit sei eingeschränkt, da sie nur noch eine formale Hülle sei. Die öffentlich-rechtlichen Medien würden die veröffentlichte Meinung beherrschen. Selbst zwischen den großen Medienhäusern gebe es ein faktisches Agreement, was politisch korrekt sei und damit veröffentlich werden dürfe. Als Beispiele werden angeführt die zu einseitig verurteilte Rolle Russlands in der Ukrainekrise oder jüngst auch der Umgang mit dem Autor Akif Pirinçci nach seiner Pegida-Rede in Dresden.

Er hat weiter ein Forum

Beides trifft nicht zu. Schon alleine das Internet und die sozialen Medien sichern die Pluralität der Meinungen. Selbst Putin hat mit dem Sender RT in Deutschland inzwischen ein Sprachrohr, das die offizielle russische Sicht der Dinge in die sozialen Medien und die deutsche Öffentlichkeit feuert. Das unterscheidet Deutschland und den Westen von Russland, wo Pressevielfalt und Medienfreiheit in den letzten Jahren immer stärker bedrängt werden.

Bei Pirinçci werden die Reaktionen seines Verlages, der seine Bücher nicht mehr verlegen will, und von Amazon kritisiert, der die Bücher aus seinem Onlineshop nehmen wollte. Diejenigen, die dies monieren, tun dies häufig mit Bezug auf das berühmte Zitat, das eigentlich Voltaire zugeschrieben wird, aber von der englischen Schriftstellerin Evelyn Beatrice Hall stammt: „Ich missbillige, was du sagst, aber ich werde bis zum Tod dein Recht verteidigen, es zu sagen.“

Pirinçcis Rede bei Pegida war nicht nur vulgär und geschmacklos. Sie war auch rassistisch und fremdenfeindlich, vom Anfang bis zum Ende. Punkt! Manche meinen, jetzt mit Relativismus und Pseudotoleranz darauf reagieren zu müssen. Die Zeitschrift „eigentümlich frei“, für die ich bislang geschrieben habe, kündigt sogar prominent an, seine Bücher verkaufen zu wollen. Nicht aus der Überzeugung heraus, dass Pirinçci recht hat, sondern aus einer Haltung des grundsätzlichen Widerstands gegen „die Herrschenden“ heraus. Nach dem Motto: seine Feinde sind auch unsere Feinde. Dafür möchte ich mich nicht weiter hergeben.

Falsch verstandene Toleranz

Was die Verteidiger Pirinçcis nicht erkennen: es ist eine falsch verstandene Toleranz, die Feinde der Toleranz zu tolerieren. Ludwig von Mises stellte schon 1927 in seinem Buch „Liberalismus“ fest: „Der Liberalismus aber muss unduldsam sein gegen jegliche Art von Unduldsamkeit. … Weil er Duldung aller Meinungen … verlangt, muss er alle in ihre Schranken zurückweisen, wenn sie mit Intoleranz hervortreten.“ Im Kern übernehmen diejenigen, die nun für  Pirinçci  in die Bresche springen, die Methodik der Linksextremen in den 1970er Jahren: Es ist der Kampf gegen das System, bei dem auch Allianzen gebildet werden, die nur der gemeinsame Hass gegen den Staat und seine Institutionen zusammenhält. Das führt zu Radikalisierung und Sektierertum, Marginalisierung und Isolierung. In dieser Isolation merkt man dann oft nicht mehr, dass man doch nur eine kleine Minderheit ist. Gegenseitige Bestätigung und eine Haltung der Abschottung führen dann mithin zu einer noch stärkeren Radikalisierung.

In diesem Prozess ist die Gefahr groß, dass man die eigenen Grundsätze ignoriert, die man an anderer Stelle hochhält. Wo sind denn in der Causa Pirinçci die Haftung und die Übernahme von Verantwortung für eigenes Handeln? Beim Staat und bei Banken, bei Politikern und beim Establishment ist man schnell bereit, das einzufordern. Aber die Reaktion auf Akif Pirinçci wird als Angriff auf die Meinungsfreiheit gebrandmarkt. Nichts ist abwegiger: Pirinçci hat seine Rede nicht nur vorab angekündigt und vor einem großen Publikum vorgetragen, sondern durfte sich nach den Erfahrungen der letzten Jahre auch absolut sicher sein, dass sie in den sozialen Netzwerken breit diskutiert und kommentiert würde.

Auch Akif Pirinçci ist für sein eigenes Handeln verantwortlich. Verantwortung zu übernehmen, fängt nicht erst bei überschuldeten Banken und den Ländern Südeuropas an, sondern vor der eigenen Haustür. Wenn sich Verlage und Buchhändler nicht mittelbar für die Äußerungen Pirinçcis in Haftung nehmen lassen wollen, dann ist das ihr gutes Recht. Denn es ist ihr Eigentum, das sie durch die Auslistung und die Kündigung der Verträge schützen wollen. Es ist auch kein gutes Argument, zu sagen, es beträfe auch die völlig unpolitischen Bücher von ihm – so schade es um die Katzen sein mag. Wer sich selber als Person so inszeniert, darf sich nicht wundern, wenn er als Person auch zur Rechenschaft gezogen wird.

Moderne Medien gewährleisten Meinungsfreiheit

Niemand wir daran gehindert, seine Bücher selber zu verlegen und selber zu verkaufen. Es gibt auch sicherlich Verlage im In- und Ausland, die Bücher eines Rassisten veröffentlichen. Das Internet und die sozialen Netzwerke erleichtern deren Veröffentlichung und Verbreitung sogar enorm. Die Meinungsfreiheit ist heute viel besser gewährleistet als dies in der Vor-Internetzeit überhaupt denkbar war. Klar ist aber auch: die Zugangswege zu den potentiellen Kunden sind ohne Amazon und Co. sicherlich nicht so breit und vielfältig. Doch was heißt das für die Toleranten der Intoleranz? Wollen sie hier die Chancengleichheit einfordern, die sie sonst als „Wieselwort“ bezeichnen. Sollte der Staat umverteilen, damit Chancengleichheit realisiert wird, vielleicht sogar eine neue Demokratieabgabe als Chancengleichheits-GEZ einführen? Nein, das kann die Antwort nicht sein. Die Gleichheit vor dem Recht ist das Entscheidende und für deren Durchsetzung sollten deshalb Liberale streiten.

Wenn sich nach Pirinçcis Auftritt in Dresden nun viele Journalisten und Verlage, aber auch viele Individuen – wie ich – von ihm distanzieren, dann ist das in den meisten Fällen kein Opportunismus und kein Kuschen vor der öffentlichen Meinung. Dann ist das Ausdruck der Überzeugung, dass Meinungsfreiheit nicht gleichbedeutend ist mit Indifferenz. Diese Formen des Protestes gegen Äußerungen wie die Pirinçcis, erfüllen genau das, was Mises schrieb: „Den Kampf gegen das Dumme, das Unsinnige, das Irrige, das Böse führt der Liberale mit den Waffen des Geistes und nicht mit roher Gewalt und Unterdrückung.“

Berichtigung:

In diesem Beitrag ist in Bezug auf die Zeitschrift „eigentümlich frei“ formuliert worden „Die Zeitschrift „eigentümlich frei“, […] kündigt sogar prominent an, [Pirinçcis] Bücher verlegen […] zu wollen.“ Soweit hierdurch der falsche Eindruck entstanden sein sollte, dass die Lichtschlag KG mitgeteilt habe, es würden künftig Bücher von Herrn Akif Pirinçci verlegt, stellen wir hiermit richtig, dass die Lichtschlag KG lediglich mitgeteilt hat, dass Pirinçcis gerade erschienenes Buch „Die große Verschwulung“ über die Lichtschlag KG bezogen werden kann. Die Lichtschlag KG vertreibt das Buch von Akif Pirinçci; weder verlegt sie aktuell das Buch von Akif Pirinçci, noch hat sie angekündigt, solches zukünftig zu tun.“ 

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