Das Integrationsgesetz regelt vieles – aber nicht das Wichtigste

So ist das geplante Integrationsgesetz ein richtiger Ansatz – aber nur ein halbherziger. Es eröffnet den Zuwanderern Chancen auf dem Ausbildungs-, Arbeits- und Wohnungsmarkt. Für die eigentliche – die kulturelle Integration – bewirkt es indes nichts.

Die Bundesregierung hat sich auf den Entwurf eines Integrationsgesetzes geeinigt. Das Ziel ist klar: Zuwanderer sollen gefördert, aber auch gefordert werden. Kaum waren die Eckpunkte bekannt, hagelte es Kritik von Seiten der üblichen Verdächtigen: Grüne und Linke, kirchliche Organisationen und Verbände der Sozialindustrie beklagten die latente Ausländerfeindlichkeit, die sich in diesem Entwurf angeblich manifestiere.

Die wichtigsten Einwände gegen den Entwurf lauten: Das Gesetz sei erstens überflüssig, da alle Asylbewerber, Schutzsuchende und Arbeitsmigranten wild entschlossen seien, sich zu integrieren. Zweitens: Wer Sanktionen gegenüber Migranten auch nur erwäge, offenbare ein tiefsitzendes Misstrauen gegenüber den Neuankömmlingen. Drittens: Die geplanten Maßnahmen schränkten die Freiheiten und die Freizügigkeit der betroffenen Menschen in unzulässiger Weise ein.

Fakten

Wer so argumentiert, blendet die Wirklichkeit bewusst aus. Bisher haben jedenfalls die Integrationsangebote von Staat und Gesellschaft und die Integrationsbereitschaft der Zuwanderer aus fremden Kulturkreisen nicht ausgereicht, um schlimme Fehlentwicklungen zu verhindern. Dazu nur einige Fakten:

  • Fünf Jahre nach ihrer Ankunft in Deutschland hatten in der Vergangenheit nur 50 Prozent der Zuwanderer einen Job; nach 15 Jahren waren immer noch 30 Prozent arbeitslos.
  • Unter den jährlich fast 6 Prozent Schulabgängern ohne Abschluss, unter den rund 15 Prozent jungen Menschen ohne Berufsausbildung und unter den 7,5 Millionen funktionalen Analphabeten sind jeweils überproportional viele Migranten.
  • Die Parallelgesellschaften in Berlin oder nordrhein-westfälischen Großstädten sind keine künstlich aufgebauschte Schreckensvision, sondern traurige Realität.

Natürlich gibt es sehr viele Zuwanderer, die sich bestens integriert haben; aber bei weitem nicht alle wollten oder konnten das. Apropos Integration. Sprache, Ausbildung und ein Arbeitsplatz sind die wichtigsten Voraussetzungen für eine gelungene Integration. Wer aber – ungeachtet seiner Herkunft aus einem fremden Kulturkreis – seiner Arbeit nachgeht, seine Kinder in die Schule schickt und seine Steuern zahlt, ist damit noch keineswegs gesellschaftlich integriert. Viele muslimische Zuwanderer gestalten ihr Familienleben nach ihren eigenen Wertvorstellungen, die teilweise unseren diametral entgegenstehen. Wenn ein muslimischer Familienvater seiner Frau jeden Kontakt mit deutschen Nachbarn untersagt, die Söhne für „wertvoller“ hält als die Töchter und diese zwingt, Kopftuch zu tragen und Distanz zu männlichen Klassenkameraden zu halten, der ist eben nur strukturell, aber keineswegs kulturell integriert.

Nur strukturell integriert

Das Bild von der multikulturellen Idylle, in der auf schnelle und umfassende Integration erpichte Zuwanderer von deutschen Dumpfbacken an einer noch schnelleren Eingliederung in Arbeitsmarkt und Gesellschaft gehindert werden, ist eine Schimäre. Der Aufschrei über die Diskriminierung der Migranten durch die im Integrationsgesetz angedrohten Sanktionen ist ebenfalls eine zielgerichtete Irreführung der Öffentlichkeit. „Hartz IV“-Empfänger müssen schon seit langem mit der Arbeitsagentur eine individuelle „Eingliederungsvereinbarung“ abschließen. Darin verpflichten sie sich zu bestimmten Schritten, um eine feste Arbeit zu finden. Halten sie sich nicht daran, drohen ihnen Sanktionen. Dahinter steckt die Überlegung, wer vom Staat finanziell unterstützt werde, müsse sich als „Gegenleistung“ ernsthaft darum bemühen, seinen eigenen Lebensunterhalt zu bestreiten. Das gilt übrigens für alle Langzeitarbeitslose – deutsche wie zugewanderte.

Wer Asyl beantragt, muss auch Pflichten übernehmen
Asylkrise: Eingliederungs-Vertrag für Flüchtlinge
Was soll eigentlich daran diskriminierend sein, wenn dasselbe Prinzip gegenüber Flüchtlingen angewendet wird? Wer seine Heimat – aus welchen Gründen auch immer – verlässt und nach Deutschland kommt, der hat sich das Land seiner Träume selber ausgesucht. Ja, er hat fast immer mehrere andere „sichere“ Länder durchquert, weil er weiß, dass die Sozialleistungen in Deutschland höher, das gesellschaftliche Klima freundlicher und die eigenen wirtschaftlichen Perspektiven besser sind als in fast allen anderen Ländern Europas. Die Wette gilt: Das angeblich diskriminierende und repressive Integrationsgesetz wird keinen Flüchtling dazu bewegen, lieber sein Glück in Frankreich oder Großbritannien zu suchen als in der Bundesrepublik.

Dass Flüchtlingen künftig durch eine „Wohnsitzauflage“ daran gehindert werden, im Land ihrer Wahl auch den Ort ihrer Wahl selbst auszusuchen, wird ebenso wenig einen Abschreckungseffekt auf potentielle Zuwanderer ausüben. Was jetzt als Anschlag auf Freiheit und Freizügigkeit gebrandmarkt wird, folgt übrigens einem bekannten Muster. Um Ghetto-Bildung zu verhindern, wurden nach 1996 den deutschen Spätaussiedlern aus Russland die Wohnorte zugewiesen. Das hat, wie sich im Nachhinein feststellen lässt, deren Integration nicht behindert, sondern gefördert. Damals hat übrigens niemand „Diskriminierung“ gerufen. Ob es damit zusammenhing, dass es sich bei den Spätaussiedlern „nur“ um Deutsche handelte?

Das Integrationsgesetz ist ein Schritt in die richtige Richtung. Der Staat investiert viel mehr als in der Vergangenheit in Sprach- und Integrationskurse und erwartet als Gegenleistung, dass diese Angebote angenommen werden. Dass niemand mit Sanktionen belegt werden kann, wenn das entsprechende Kurs-Angebot (noch) nicht vorhanden ist, versteht sich von selbst. Wer Gegenteiliges behauptet, will nur Stimmung gegen das Gesetz machen. Ganz wichtig ist, dass die Arbeitsaufnahme erleichtert wird und selbst diejenigen, die keinen rechtlichen Anspruch darauf haben, auf Dauer hier zu bleiben, ihre Ausbildung abschließen dürfen. Diese Rückkehrer haben dann in ihrer alten Heimat bessere Chancen als solche, die bei uns keine Ausbildung genossen haben.

Kulturelle Integration nicht angepackt

So richtig und wichtig das Integrationsgesetz auch ist – es greift mit Blick auf die kulturelle Integration zu kurz. Dafür wären Eingliederungsverträge zwischen denen, die hier bleiben wollen, und dem Aufnahmeland notwendig. Die Flüchtlinge und Schutzsuchenden müssten sich verpflichten, eine Gegenleistung für die Aufnahme in diesem Land zu erbringen, nämlich ein Bekenntnis zu rechtsstaatlichen Spielregeln und abendländischen Werten, kurz: zur europäischen Leitkultur. Genau das hat die CDU auf ihrem Karlsruher Parteitag beschlossen. „die Verabschiedung von Gesetzen des Bundes und der Länder, in denen der Abschluss von verbindlichen Integrationsvereinbarungen zwischen Staat und Migranten geregelt wird.“

Doch bei den Verhandlungen über das Integrationsgesetz stellte sich schnell heraus, dass die SPD da auf keinen Fall mitmacht. Mancher in der CDU dürfte darüber sogar froh gewesen sein, wäre das doch beim Wunschpartner für 2017, den Grünen, auf strikte Ablehnung gestoßen.

So ist das geplante Integrationsgesetz ein richtiger Ansatz – aber nur ein halbherziger. Es eröffnet den Zuwanderern Chancen auf dem Ausbildungs-, Arbeits- und Wohnungsmarkt. Für die eigentliche – die kulturelle Integration – bewirkt es indes nichts.

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