Ein Geist und seine Flasche – Warum die Unionsparteien sich nicht mehr verstehen

Geschichte wiederholt sich bekanntlich nicht, und wenn dann nur als Farce. Das sollte man wissen, wenn man über das Verhältnis von CSU und CDU raisoniert. Womit bewiesen ist: Eine Farce bleibt eine solche, auch wenn sie sich wiederholt.

Servus Tichy! Rechtzeitig zum hundertfünfzigsten Jahrestag der Schlacht von Königgrätz (als Bayern zum letzten Mal auf Preußen schießen durften) wird die Sache wieder interessant. Wir Altbayern (Bad Reichenhall, Tittling bei Passau) haben noch ein historisches Bewusstsein. Hoffe ich doch.

I.

Es findet ja nicht nur im Fall Böhmermann der Straftatbestand der Majestätsbeleidigung nach wie vor Anklang. Dafür sorgt die Kaiserin von Volkes Gnaden persönlich. Wer auch immer in diesen Tagen die Allerhöchste für unfähig hält, bekommt es mit dem kaisertreuen Justemilieu zu tun. Es gibt praktisch keinen einzigen Geschlossengegenrechts-Experten, der nicht darauf hinweist, woran man einen Feind der Demokratie mit Sicherheit erkennen könne. Vor allem auch daran, dass er „die“ (Singular) da oben für ein Verhängnis halte. Nach dieser Logik muss jeder, der die Politik der K nicht ausstehen kann, ein ganz Rechter sein. Sag mir, was du von der K hältst – und ich sage Dir, ob du noch ein Demokrat bist oder schon ein Rassist. Ob du zum zulässigen Teil Deutschlands gehörst oder nicht integrationsfähig bist. Früher einmal war Gegendiedaobensein Ausweis einer antiautoritären, eher linken Grundhaltung. Heute muss man sich dafür als Rechter beschimpfen lassen, und die sogenannte Mitte der Gesellschaft leidet unter einem schweren Rückfall in autoritäre, regierungsgläubige Denkmuster. Wie zu Kaisers Zeiten. Reichlich pervers, finden wir ordnungsliebenden Anarchisten aus Bayern.

II.

Wir wollen nicht die ruhmreichen Taten unserer K würdigen; das haben wir beide hier oft genug getan. Jetzt geht es um die bayerische CSU, die einzige gerade noch als demokratisch akzeptierte K-kritische Partei. Aber eben nur in Bayern! Wehe, sie macht das auch in der Reichshauptstadt. Dort hat sie kaiserinnentreu zu sein. Haushofmeister Schäuble regt sich saumäßig auf über die „Attacken“ auf die K. Attacken gehen gar nicht. Königgrätz wurde schließlich mit Pauken und Trompeten verloren. Von den Bayern – damals schon unglückseligerweise auf Seite Österreichs.

Bayern zählt zu den Verlierern der Reichsgründung. Das war unter Kaiser Wilhelm dem Ersten nicht anders als unter Kaiserin Merkel der Letzten. Nach der sogenannten „Wiedervereinigung“ (ohne die Merkel nicht an die Macht gekommen wäre) verlor Bayern an Bedeutung. Das ganze Land wurde östlicher, protestantischer, nationalistischer, sozialistischer, konformistischer.

III.

Nun stellt sich also heraus, dass erzwungene Reichstreue nicht ewig hält. Der Geist ist keineswegs aus der Flasche, wie Oldtimer Heiner Geißler klagt. Erinnert er sich nicht mehr? Der Geist war niemals in der Flasche. Er hatte sich nur vorübergehend gasförmig verdünnisiert. Jetzt hat er Gestalt gewonnen. Es ist kein Zufall der Geschichte, dass die CSU niemals ein Landesverband der CDU sein wollte. Die war damals noch Adenauer-rheinisch geprägt – also der bayerischen Mentalität weit näher als heute. Selbst die CDU des Pfälzers Kohl, von dem Strauß nichts hielt und in Kreuth mit Trennung drohte, (den „Kanzler der Einheit“ hat er nicht mehr miterleben dürfen oder müssen), war der CSU unvergleichlich näher als die CDU Angela Merkels. Merkel – falls überhaupt Geist und nicht bloß Flasche – verkörpert einen Geist, der zwischen preußischem Protestantismus und ostdeutschem Sozialismus oszilliert. Mit ihr erst ging die in Bonn aus den Trümmern der deutschen Geschichte erstandene Republik endgültig zu Grunde. Merkel hat keinen blassen Dunst von der Adenauer-Brandt-Schmidt-Kohl-Schröder-Republik. Und deshalb ist es ihr auch unmöglich, die CSU zu begreifen. Sie versucht es ja nicht einmal mehr.

Fieberhaft wird ein Ort für Waffenstillstandsverhandlungen gesucht, aber nicht gefunden. Es böte sich ein Waldstück (zur Erinnerung an die Spaziergänge von Kohl und Strauß) am Weißwurstäquator an. Die Syrienverhandlungen in Genf sind ein laues Wannenbad gegen diesen Akt. (Verrutschtes Bild: Wannenbad und Genf geht gar nicht.)

IV.

Das Dilemma des abtrünnigen Seehofer‘: Obwohl er mit erheblicher Unterstützung der von Merkel bedienten Bevölkerung rechnen dürfte, würde ein bundesweites Auftreten seine Machtbasis in Bayern zerstören. Die Garderegimenter der K zu Pferde und zu Fuß würden eine Gegenoffensive in Bayern starten. Seehofers absolute Mehrheit in Bayern wäre dahin. Vor allem im ehemals preußischen Franken. Die Demarkationslinie des politischen Weißwurstäquators schneidet mitten durch den Freistaat. Vor allem deshalb scheut Seehofer das Risiko. Er verdankt sein bundespolitisches Gewicht ausschließlich der absoluten Mehrheit in Bayern.

V.

Was nun? Seehofer droht (womit hat er nicht schon alles gedroht?) mit einem eigenständigen Wahlkampf. Ja, aber eben nur in Bayern. Dennoch: Ein eigenständiger Wahlkampf der CSU würde bedeuten: Merkel ist nicht mehr die gemeinsame Kanzlerkandidatin der Unionsparteien. Es wäre de facto das Ende der Fraktionsgemeinschaft im Bundestag. Die K würde versuchen, mit Grünen, Sozialdemokraten und FDP eine Koalition zu bilden. Sie wäre nicht auf die Bayern angewiesen. Die CSU bliebe draußen und ohne das geringste Vetorecht. Allerdings stünde dann auch die CDU in der Zerreissprobe. Was zählt am Ende mehr, die Union der C-Parteien oder die absolute Macht der M? Es wäre Ironie der Geschichte, würde die Profiteurin der deutschen Einheit am Ende die Einheit der Union zerstören – oder aber gehen müssen, um diese zu erhalten. An dieser Entscheidung kann sie sich nicht mehr lange vorbei schwindeln. Würde sich, um der Einheit willen, ein wesentlicher Teil der CDU-Funktionäre doch noch zum Putsch gegen Merkel aufraffen, käme Haushofmeister Schäuble zum Zug.

Na dann Servus!

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