Der Traum vom humanitären Endsieg

Die meisten anderen Europäer halten die Deutschen für anmaßend. Auch wer einen „humanitären Imperativ“ vor sich aufpflanzt, möchte herrschen. Merkel überhebt sich moralisch über die Haltung der meisten anderen Europäer.

Drei Worte der Woche, drei Sätze. Und das pathologische Vollbild dieses Landes ist komplett.

I.

Horst Seehofer: „Grüß Gott und Danke!“

Grüß Gott im Reich der Realsatire. Drei mal täglich frohlocken und Hosianna singen, befiehlt die Hausordnung im deutschen Himmelreich. Tatsächlich erinnerte #cdupt15 an Ludwig Thoma’s Satire vom Münchner Dienstmann Alois Hingerl, der als Engel Aloisius – Himmihergottsaggerament – den Rappel bekommt, das Manna verschmäht und zurück geschickt wird, freilich mit dem Auftrag, der Regierung göttliche Ratschläge zu übermitteln. Die wartet darauf noch immer. Denn Aloisius sitzt als Dauerasylant im Hofbräuhaus.

Thoma übrigens wurde wegen dieser Satire zu einer Geldstrafe verurteilt. Ganz so weit ist es bei uns noch nicht, aber wer weiß. Der Unterschied ist: In der Union gibt es nicht einmal mehr einen Engel Aloisius. Hosianna-Horst mampft Merkel-Manna und macht danach artig sein Bäuerchen. Das ist ernüchternd, macht aber auch nicht mehr viel aus, denn dort unten ist nichts zu finden, was eines göttlichen Ratschlags bedürfte. Die Regierung steht bereits unter Leitung eines Engels (lat.: Angelus), dessen Imperative von den meisten Medien für unantastbar, quasi göttlich gehalten werden. Danke.

II.

Thomas Gottschalk: „Meine einzige Sorge ist, dass eine Million Menschen kommen, die mich nicht kennen.“

Ein schöner Satz, doppelbödig und entlarvend. Der Merkel-Mainstream sorgt sich ausschließlich um sein Image, nicht um das, was in und mit seinem Land geschieht. Er will gemocht werden. Er sagt nicht: ich will die, die da kommen, erst einmal kennenlernen, ehe ich sie hereinlasse. Er will, dass die Ankömmlinge ihn kennen lernen. Weil er davon ausgeht, dass sie begeistert sein werden. Er wird alles tun, dass die, die kommen, ihn so sympathisch finden, dass sie gar nicht mehr weg wollen. Fremdeln ist nicht das Problem des Fremden, sondern des Einheimischen. Es ist die Logik der herrschenden Gefallsucht. Wir wollen gefallen. Egal wem. Am liebsten allen. Wenn wir das geschafft haben, sind wir die Größten. Wenn wir es nicht schaffen, sind wir selbst daran schuld. Aber wir schaffen es schon. Deutschland ist der Thomas Gottschalk unter den Nationen.

III.

Angela Merkel: „Ich kann das sagen, weil es zur Identität unseres Landes gehört, Größtes zu leisten.“

Mir wird immer leicht schwindelig, wenn die Deutschen „Größtes“ vollbringen und von ihrer Überlegenheit überzeugt sind. War es nicht der Gröfaz, der den Endsieg leider (Achtung: Satire!) vermasselt hat? Getrieben vom dem Wahn: Wir sind die Besten. Wir waren aber bloß die Tollsten. Bestenfalls.

Man darf, ich weiß, niemanden mit Gröfaz vergleichen. Aber man sollte auch nicht „Größtes“ in einem Atemzug mit deutscher „Identität“ gebrauchen. Sonst vergleicht man sich unweigerlich selbst. Die Deutschen sind zwar kein Herrenvolk mehr, aber unschlagbar sein wollen sie doch: unschlagbar menschenfreundlich. Sie wissen einfach, was das Beste für die Welt wäre. Deshalb sind ihre Imperative alternativlos. Zum Beispiel in der Flüchtlingsfrage. Die Deutschen wissen das. Leider wissen es noch nicht alle.

Die meisten anderen Europäer halten die Deutschen für anmaßend. Auch wer einen „humanitären Imperativ“ vor sich aufpflanzt, möchte herrschen. Merkel überhebt sich moralisch über die Haltung der meisten anderen Europäer. In ihren Reden tönt sie, als sei Europas Einigung ihr innerer Kompass. Aber das ist ein Missverständnis. Sie will in Wahrheit nur so tun, als stehe sie neben Adenauer und Kohl. Die aber haben ihr Land immer kleiner gemacht, als es war, Merkel macht es größer, als es ist. Sie denkt fundamental anders als die Ahnen, mit denen sie nicht einmal verwandt ist. In diesem Nest ist sie ein Kuckucksei. In Wahrheit zerstört sie das, was von Europas Einheit schon erreicht war. Schengen ist tot – dank Merkels grenzenloser Naivität. Die Türken sind bald wieder drin – dank Merkels Erpressbarkeit.

Die Kanzlerin warnt vor nationalen Egoismen. Ihr Kurs aber ist durchdrungen von nationalem Egoismus. Die Lösung der Flüchtlingsfrage könne nur eine europäische Lösung sein, behauptet sie und verlässt sich ausschließlich auf die Kooperation der anderen Europäer, die sie selbst weitgehend verweigert. Und sie wäscht ihre Hände in Unschuld. Wenn der Strom der Flüchtlinge nicht zu stoppen ist, sind andere dafür verantwortlich. Eine Herde harmoniesüchtiger, autoritätsgläubiger CDU-Hofschranzen nimmt ihr das ab. Aber nicht die Regierungschefs der EU, wie gerade zu erleben ist.

Die größte Überraschung dieser Woche: Der Parteitag in Karlsruhe hat Angela Merkel als Nationalistin enttarnt. Mag schon sein, dass ihr Nationalismus keine Überzeugung, sondern nur ein Instrument ist (so wie sie auch das Christentum als rhetorisches Instrument benutzt). Mit ihrem „Wer, wenn nicht Deutschland!“, hat sie dem schwer verunsicherten eher konservativen Teil ihres Kaders gefallen.

Wie auch immer. Wer mit nationalistischen Gefühlen spielt, weckt auch den Größenwahn, den wir aus der Geschichte kennen. Zwar kommt dieser Größenwahn in dialektischer Verdrehung als „humanitärer Imperativ“ daher. Aber auch dieser Begriff kommt von imperare, herrschen. Wundern wir uns noch, wenn von Polen bis Großbritannien, die Deutschen als überhebliche Idealisten/Idioten wahrgenommen werden? Glaubt Merkel gar an einen humanitären Endsieg? Das wäre nicht konservativ, sondern eher marxistisch. Vor allem aber: weltfremd.

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