Der FOCUS Nr. 12 – „Das nahe Glück“

Die „Fauxpas der Woche“ geht dieses Mal leider, leider an den FOCUS Nr. 12. Oder ist es kein Zufall – und so gewollt? Dreht der Wind auch beim FOCUS oder hat nur die Redaktion entwurzelt?

„Das nahe GLÜCK“ lautet der Titel des FOCUS Nr. 12 – und obwohl der Urlaub in den heimischen Gefilden Deutschlands gemeint ist, fällt der Blick von der Titelzeile schnurstracks auf das größer formatige Porträtbild von Frauke Petry, der Vorsitzenden der AfD. Es ist auch noch rechts oben platziert. Petry, das nahe Glück“? Da liegt ein Verdacht nahe, der über die Wochenzeitungen und den SPIEGEL hier geäußert wurde: “Dass der politische Wind dreht, wundert nicht, Tempo und Ausmaß sehr wohl.”  Beim FOCUS ist es wohl eher Anfängerpech – einfach nicht richtig hingeschaut bei der Titel-Abnahme?

Dabei kann man die Online-Kritiker schon Stöhnen und Schimpfen hören: der FOCUS wird ja immer völkischer! So ein rassistischer Kackscheiß! Der FOCUS empfiehlt Urlaub in Deutschland UND zeigt auch noch ein „neugieriges Porträt“ zu Frauke Petry?

Doof, Urlaub in Deutschland?

Alles Elemente, wegen denen sie drei mal ausspucken, die Erde verbrennen und mit Salz bestreuen. Ist auch doof, hier in Deutschland Urlaub zu machen. Das Land, „ein Stück Scheisse“, wie Grünen-Promi Claudia Roth in einer Demo mitbekundet hat? So ein Land voller Unsympathen, von denen es jeden Tag mehr werden, weil die Umfragen beim CDU-, SPD- und Linke-Türmchen wöchentlich Prozente abziehen und beim AfD-Säulchen aufschütten. Wie kann man denn hier noch und überhaupt Urlaub machen? Fragen wir mal einen von 1,5 Millionen Flüchtlingen, warum sie sich Deutschland als neuen Lebensmittelpunkt wählen. „Mama Merkel“ ist zwar kein eingetragener Ortsname, aber was nicht ist, kann ja noch werden: „Merklandia“.
Zum Glück heilt der FOCUS jegliche aufkommende Gedanken an Sympathien mit AfD-Wählern gleich wieder auf Seite 8, indem Greser & Lenz den stereotypen AfD-Wähler zum ungewaschenen und unfrisierten Penner stilisieren, der nur dann noch vor die Türe kommt, wenn er Bölkstoff/Bier holt – und um die AfD zu wählen. Long live the cliché!

Opas letzte Nummer?

Auf Seite 15 schaut das Norbert „Blümchen“ Blüm verschlafen mit Pletschkapp aus seinem Zelt im Migranten-Camp aus Idomeni. „Ich wollte nicht als Elendstourist durch das Lager reisen. Das wäre ja wie im zoologischen Garten.“ Gut, den Vergleich hat jetzt er gezogen. „Es sollte ein kleines Zeichen der Solidarität sein, und so ist es auch verstanden worden.“ Ja. Schauen Sie mich nicht so an. Das ist Blüms selektive Wahrnehmung seiner Reise hinter den Zaun. Ob das wirklich so verstanden wurde. Hm. Und nur eine Woche später die Ankündigung zu seinem neuen Buch. Opa war auf Promotour!

Auch Künstler wie Ai Weiwei (spielte auf einem weißen Flügel) und Angelina Jolie besuchten in dieser Woche das Camp. Immer dabei: Ein Pulk an Fotografen und Kamerateams, die dafür sorgen, dass sich bei den Einheimischen an den Bildschirmen oder mit noch vorhandem Abo eine zunehmende seelische Hornhaut bildet.

Die Frau, die gern überholt

Da ist es, das „neugierige Porträt“ von Frauke Petry. Auf Seite 22/23 das doppelseitige Bild von ihr hinter dem Lenkrad des Familien-Vans, gerade beim Einparken. Also nochmal – der Titel lautet: „Die Frau, die gerne überholt“ und das Bild dazu zeigt sie beim Einparken. Die Woche war das jedenfalls nichts mit Titel und Bild beim FOCUS. Das geht besser. Die kommt ja beim Überholen nicht vom Fleck! Oder ist das doppeldeutig und darauf gemünzt, dass die AfD derzeit gar nichts machen muss und trotzdem immer weiterfährt?

Wir erfahren, dass im Chemie-Leistungskurs „Fraukes Rechte“ (Anm.: ihr Arm ist gemeint) immer als erste nach oben schnellte, so erinnert sich ihr Lehrer. Solche kleinen abgerittenen Bonmots schaden der „neugierigen“ Herangehensweise an das Porträt mehr als das überholende Bild beim Einparken. „Krankhafter Ehrgeiz“, der von einer Freundin attestiert wird, die im selben Leistungskurs gesessen hat. Hand hoch (aber bitte nicht die Rechte! Sie könnten damit Rechten in die Hände spielen…): Wer von Ihnen ist heute noch mit jemandem befreundet, der/die neben Ihnen im Leistungskurs gesessen hat. Egal. Wenn Sie mal in jeder Postille von Kiel bis Wien waren, kann sich aber jeder an SIE erinnern – und weiß auch entsprechendes über Sie zu berichten (Sie haben oft in der Nase gepult und hatten Schweißränder unter den Armen).

Weil für Frauke Petry eine Zwei Plus keine Option ist, nie nichts nirgends, fährt sie nach den Landtagswahlen in Berlin bei der Bundespressekonferenz vor (ah, da ist das Foto entstanden) und ist 20 Minuten zu früh auf ihrer eigenen Party. Menschen, die zu früh kommen, kann echt keiner leiden. Das ist ein Überbleibsel aus den Clubbing-Tagen: „Der erste in der Disse, hat verschisse.“ Weiß doch jeder.

Bisschen Ausflug noch über ihre Mundwinkel und ihr nach oben gerecktes Kinn. Petry, die Getriebene. Petry, die Insolvente. Petry, die Streberin, die ihr Abitur mit 1,1 bestanden hat, Petry mit Fusseln am Kleid. Wieder ein Freund-Feind-Organigramm für den Senioren-Fernsehtisch auf Seiten 28/29. Wer mit wem, wer gegen wen? Das ist echt praktisch.

Also Menschen mit Schnappatmung können sich beruhigen. Der Titel hält in dem Fall nicht, was er (versehentlich?) verspricht. Es war, wie oben vermutet, ein Fehler bei der Titelabnahme; bei so viel Chefwechsel kann das schon mal passieren.

Die CSU im Nacken

Direkt im Anschluss an das AfD-Petry-Porträt kommt? CSUler Markus Söder! Auch in der letzten Woche haben wir die Sortierung der Themen im Heft bereits anerkennend gelobt. „Der Tiger hetzt die Meute“ hätte demnach auch ein interessanter Titel für das Interview sein können. Stattdessen entschied man sich für „Die Bürger wünschen sich keine andere Kanzlerin, sondern eine, die ihre Sorgen ernst nimmt.“ Eine Koalition mit der AfD lehnt Söder klar ab, ebenfalls eine „bundesweite Ausdehnung der CSU“. Schade, denn hätte er den Bürgern noch eine weitere Frage gestellt, hätte er vielleicht feststellen können, dass sich sehr, sehr viele von denen über eine Alternative zur Alternative freuen und mit sehr hoher Wahrscheinlichkeit ihre Stimme lieber der CSU geben würden. Überhaupt über die Form von Wettbewerb, die die CSU in Bayern befürwortet, im Bund aber ablehnt. So bleibt Markus Söder, der sich anschickt, der Prinz Charles der bayrischen (übersprungenen) Thronfolge zu werden, für viele wohl hinter seinen und der Möglichkeiten der CSU zurück. Und man hat das Gefühl: Der Umzug der FOCUS-Redaktion von München nach Berlin war nicht nur ein Ortswechsel. Angekommen im Hauptstrom der Medien paddeln die Focus-Redakteure mit und haben noch gar nicht erkannt, dass bei der Konkurrenz der Wind schon gedreht hat.

Aber es gibt auch gute Stücke, Münchner Fakten-Tradition läßt grüssen: „Die Dschihad-Detektive“ – ein spannender Beitrag von Bernhard Borgeest über Peter Neumann, der 2008 das ICSR in London gründete, das internationale Zentrum zur Erforschung der Radikalisierung – und seinen Kollegen Shiraz Maher, den ehemalige Extremisten.

In „Hier umarmen sich zwei Mütter. Der Sohn der einen hat den Sohn der anderen erschlagen“ – da muss man das Lesen mehrmals unterbrechen. Eine unfassbar schmerzvolle Familientragödie, beschrieben von Axel Spilcker. So sollen Reportagen sein.

Zuhause ist auch was los

Das Titelthema „Reiseziel Heimat“ erinnert den Leser einmal mehr daran, wie vielseitig Deutschland ist und wie viele schöne Flecken es zu bieten hat. Von den Bergen bis zur See, durch Postkartenmotive des Mains über Campingareale in Worpswede – warum nicht 2016 in Deutschland Urlaub machen? Mallorca mal eine Pause gönnen, der Insel, die nach den Anschlägen in nordafrikanischen Urlaubsorten und der erst Euro- dann Flüchtlingskrise in Griechenland und der Türkei stark zunehmende Buchungszahlen meldet. Die Deutschen meiden Krisenländer – und planen die Auszeit wohl lieber vor der eigenen Haustüre.

Um „Schönste aller Welten“ geht es auch im Spiegel, da aber höchstens indirekt ums Reisen – nach Deutschland, wo keine Steuerermittlungen gegen US-Firmen bekannt sein sollen.

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