Grexit: Euro 2.0 jetzt!

Ein neuer Euro-Vertrag, der Euro 2.0, das ist die große Chance der Stunde. Der notwendige Grexit ist die faktische Öffnung des Euro-Vertrag, derer es bedarf um die noch notwendigere Neuverhandlung der Regeln der Gemeinschaftswährung jetzt und sofort zu beginnen.

Wenn hoffentlich an irgendeinem Freitag in der näheren Zukunft der Austritt Griechenlands aus dem Euro-Vertrag Wirklichkeit wird, wird zugleich allein aufgrund der Faktizität des Austrittes ein Fluch eben dieses Euro-Vertrages, den Griechenland verlässt, aufgebrochen.

Die derzeitige Ewigkeitsgarantie der Fehlkonstruktion des Euro würde aufgebrochen. Es wäre vorbei mit der Ewigkeitsgarantie der Mitgliedschaft nicht euro-tauglicher Vertragsstaaten. Und es wäre vorbei mit der Ewigkeitsgarantie geschlossene Verträge nach eigener Willkür nicht einhalten zu müssen und sich gegebenenfalls auch wie ein egomanischer und egoistischer Rüpel gegen die Solidargemeinschaft der Eurostaaten verhalten zu können. Mit all diesen Ewigkeitsgarantien wäre es durch einen Austritt Griechenlands aus dem Euro- Vertrag vorbei. Der Euro-Vertrag erhielte die Chance neu verhandelt zu werden und qualitative Nachbesserungen zu erfahren.

Das unsaubere Spiel des Sozialisten Francois Hollande, der sich derzeit als „Euro-Retter“ zu verkaufen sucht, wäre, wenn nicht beendet, dann doch erheblich eingegrenzt. Im Windschatten der seit fünf Jahren fehlgeschlagenen Griechenlandrettung, (die auf dem Prinzip „Zuscheißen mit Geld“ (Kir Royal) hat sich Francois Hollande, in dessen unfähigen Händen die Führung der zweitgrößten Volkswirtschaft des Euro-Vertrages liegt, dazu hinreißen lassen, sein Land mit einem ganzen Haufen von sozialistischen Versprechen an seine Wähler in exakt die falsche Richtung zu entwickeln.

Auch in Frankreich müssten viele der Reformen Platz greifen, die jetzt in Griechenland erwartet werden, zu deren Durchführung Griechenland aber auf der Basis des Euro in überschaubarer Zeit aus vielen Gründen, die an dieser Stelle schon wiederholt dargelegt wurden, nicht in der Lage ist.

Die vor kurzem im allgemeinen Sprachgebrauch nicht existente Vokabel „Austeriätsprinzip“, die seit einigen Jahren viel Unheil anrichtet, weil sie falsche Gedanken begünstigt, aber irgendwie wichtig klingt, verlöre an Bedeutung, würde der Euro-Vertrag von seiner stupiden und dumpfen und eisernen Korsettwirkung befreit. Der Grundsatz solider Haushaltsführung darf nicht nur auf dem Papier stehen, er muss das Geschehen beherrschen und gestalten.

In Ausnahmesituationen kann es notwendig sein, hier und da auch einmal die Geldpresse anzuwerfen und die Geldmenge zu billigsten Konditionen zu vergrößern. Das geht aber nur in Ausnahmesituationen, zeitlich begrenzt und nach festen Spielregeln, die nicht ein Mann, wie Mario Draghi, ohne demokratische Legitimation, selbstverständlich in bester Absicht, aushebeln können darf.

Draghis dicke Billionen-Berta

Draghis dicke „Billionen-Berta“, sprich sein kosmisches Anleihekaufprogramm, vorgeblich für Griechenland und andere Euro-Schwächlinge, die sich allerdings sehr viel besser schlagen als Griechenland, aufgelegt, ist, so die hier vertretene Vermutung, vor allem ein vor-und fürsorglicher Puffer für die französische Wirtschaft und auch für die italienische Wirtschaft.

Der Euro ist schwach geworden gegenüber dem Dollar und das obwohl der Dollar selbst, für sich gesehen, nicht vor Stärke strotzt. Der schwache Trost, dass ein schwacher Euro den Export beflügelte, ist nicht geeignet, den Nutzen einer starken Währung herabzusetzen. Das hat die Geschichte der Bundesrepublik mit ihrer D-Mark eindeutig gelehrt.

Wer im Euro-Raum ernsthaft eine Politik auf Pump für Normal Null hält und mit altmodischen Vokabeln wie Keynesianismus feuilletonistisch um sich wirft, sollte den öffentlichen Stammtisch verlassen. Eine Währung ist kein Spielzeug und eine Währung muss zu der Volkswirtschaft, für die sie gilt, passen.

Warum Altkanzler Gerhard Schröder, sein Finanzminister Hans Eichel und sein, von Wirtschaftskenntnissen damals freier Vizekanzler Joschka Fischer, im Benehmen mit Goldman Sachs, wie es am vergangenen Samstag ein Film des WDR zartkritisch thematisierte, Griechenland in den Euro hinein getrickst haben, versteht man nicht. Die Motivlage der damaligen Akteure erschließt sich in keinster Weise. Das ist rot-grüner Schnee von gestern. Allerdings sollten die SPD und die Grünen von heute mit etwas mehr Bescheidenheit und Demut darauf verzichten, sich als große Griechenlandsanierer, mit geliehenem Geld, versteht sich, aufzuspielen und einem sauberen Grexit, der kompliziert genug ist, nicht länger im Weg stehen. Das gesamte linke Engagement gegen einen Grexit ist unglaubwürdig, um nicht heuchlerisch zu sagen.

Der Grexit ist aber kein Selbstzweck. Der Grexit ist nicht nur das Beste, was Griechenland und den Menschen und den Arbeitslosen in Griechenland passieren kann, sondern der Grexit ist der Startschuss für das Etablieren eines neuen Euro-Vertrages. Dieser Aspekt ist aus historischer Sicht der weit wichtigere und dies ökonomisch-fiskalisch wie auch in der dem Euro zugeschriebenen Völkerverbindenden Wirkung. Zwar müssen Völker nicht „verbunden“ werden, sondern sich verbunden fühlen, aber das ist ein anderes Thema.

Es ist ein Grundfehler der weltweiten Diskussion, die sich auf Griechenland konzentriert, statt sich dem übergeordneten Thema der Neukonstruktion des Euro zuzuwenden. Der Grexit ist im ökonomischen Weltgeschehen Tagesgeschäft, der Euro ist ein globaler Faktor. Dieser Euro ist der vorrangige Sanierungsfall.

Der Grexit wäre der Startschuss für den neuen Euro-Vertrag

Der neue Eurovertrag, der Euro 2.0 muss von seinen politischen und schwülstigen Überfrachtungen befreit werden und dazu bietet der Grexit eine Startchance. Deswegen ist es jetzt die Aufgabe Nr. 1, die richtigen Vertragsvorschläge und die richtige Agenda, die hoffentlich hoffentlich in den Schubladen der Regierungen schon vorliegen, zu formulieren und zu konzipieren.

Dem an Schwachsinn grenzenden Unsinn muss ein Ende bereitet werden. Diejenigen, die von links bis linksradikal, teils gewalttätig unterstützt, vom bösen Weltkapital, das die Menschen voll im Griff hätte, allwissend und paranoid zugleich daherreden, sind dieselben, die schreien: Her mit dem noch nicht verdienten Geld zur Ankurbelung der Volkswirtschaften hier, da und dort und überall auf der Welt.

Da müssen sich die Linken schon entscheiden, ob sie ihre dicken Spendierhosen mit auf den Weltmärkten der Kapitalisten geliehenem Geld voll machen wollen oder ob sie diese Kapitalisten abschaffen wollen. Blockupy und Occupy und dergleichen verquaster Unsinn wirken, was die Griechenlandsanierung anbelangt oder die Euro-Sanierung, um die es eigentlich geht, kontraproduktiv.

Eine Gemeinschaftswährung, die nicht, de facto unvermeidlicherweise, zugleich auch eine Haftungsunion ist, ist undenkbar. Deswegen muss der Euro-Vertrag an diese Realität angepasst werden. Eine Gemeinschaftswährung ohne eine gemeinschaftliche Haushaltspolitik, ohne eine Haushaltsgemeinschaft, ist ein Widerspruch in sich selbst.

Wer keine Haushaltsgemeinschaft will, wer die Vereinigten Staaten von Europa derzeit für noch nicht real machbar erachtet, jedenfalls nicht per Knopfdruck, der ist aufgerufen, den Euro elegant zu dekonstruieren. Und das kann zum Teil eine radikale Verkleinerung der Euro-Zone bedeuten.

Selbst Länder wie Belgien oder Italien galten am Anfang nicht als Euro-tauglich und sie waren es wahrscheinlich auch nicht. Ökonomisch nützt es Niemandem, mit einer Währung in derzeit 19 unterschiedliche Volkswirtschaften massiv einzugreifen.
Wer den Euro in seinem Bestand unbedingt erhalten will, auf Biegen und Brechen und glaubt, dass eine Währung ein Politikum ist und nur nebenbei auch ein Zahlungsmittel, der muss die Chance des Grexit, der die Rechtswirklichkeit des bestehenden Vertrages ändert, nutzen, um den Vertrag auch juristisch, auf wesentlich solidere Füße zu stellen.

Wenn Eurokraten und Währungserfinder in diffusen Utopien verfangen sind und dann auch noch in 19 unterschiedliche Utopien, dann ist das keine gute Geschäftsgrundlage für einen Währungsvertrag und auch kein gutes Omen für die Währung, die dabei rauskommt. Dass ausgerechnet der sonst klassisch schnöde genannte Mammon zur Seele des europäischen Gedanken aufsteigen konnte, ist ein bisschen tragisch und ein bisschen komisch.

Der Grexit ist sehr kompliziert, aber er ist kein großes Ding

Aber die faktische Öffnung des Euro-Vertrages ist eine bisher viel zu wenig diskutierte historische Chance für einen Euro 2.0 und für die europäische Wirtschaft insgesamt.

Der neue Euro-Vertrag 2.0 muss klare Kriterien enthalten, die ein Land – diesmal in überprüfbarer Form – erfüllen muss, wenn es zukünftig dem Euro-Vertrag beitreten will. Damit bleibt auch Griechenland jede Chance, eines Tages wieder in den Euro-Verbund aufgenommen zu werden. Eine fest definierte Auszeit von beispielsweise fünf Jahren, wie Schäuble es jetzt andachte, ist allerdings ein absolutes Absurdikum, völlig unpraktikabel und auch sinnlos.

Nach dem Verlassen der Euro-Zone und der sofortigen Geltung einer neuen griechischen Währung muss die bisher versagende Rettungstechnik von immer neuem Geld an die versagenden griechischen Regierungen radikal umgestellt werden. Das Geld muss an der griechischen Regierung vorbei direkt in den hellenischen Wirtschaftskreislauf und direkt zu den Menschen fließen, als Investitionshilfe und als Soforthilfe und dies mit einem durchdachten, degressiven und zeitlich limitierten Förderprogramm, wie ich es an dieser und an dieser Stelle entwickelt und vorgeschlagen habe.

Eine umgestellte Rettungsstrategie für Griechenland ist das eine, ein neuer Euro-Vertrag, der Euro 2.0, das ist die große Chance der Stunde.

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