Meinungswäsche

Vielfach war und ist bei uns die Rede von der "Lügenpresse". Man muss aber gar keine Lügen verbreiten. Es reicht schon, wesentliche Teile der Wahrheit zu verschweigen. Berichtet Professor Josef Bayer aus der Provinz.

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Manfred Weber (CSU) sprach schon von der Abstimmung von „geschiedenen Leuten“, die wir, die guten, die „Hell-Europäer“, und die Briten, nach einem BREXIT dann die „Dunkel-Europäer“, wären. Nationalstolz gerne, aber bitte nur, wenn es um Operetteninszenierungen mit der Königsfamilie geht. Argumente, die für den Ausstieg sprechen, z.B. das Beispiel der erfolgreichen Schweiz und damit verbunden das System der ebenfalls sehr erfolgreichen Volksabstimmungen, gibt es in der Argumentationskiste der Medien scheinbar nicht.

Analog dem Zeitgeist huldigende, die komplexe Realität bewusst negierende Selektion von Informationen kann man auch in den Berichten über Gewalttaten verfolgen. Groß aufgemacht wird über die Attacke russischer Hooligans auf spanische Antifa-Leute in Köln berichtet. Doch die vielen Angriffe von Immigranten auf Deutsche ohne Migrationshintergrund schaffen es allenfalls auf die hinteren Seiten von Lokalblättern, und dann meist in geheimnisumwobenem Geraune von irgendwelchen „jungen Männern“, die sich nicht zu benehmen wussten bzw. in Zukunft wohl statt kriminell politisch korrekter als „verhaltensoriginell“ bezeichnet werden sollten. Anders sieht es in unserer Presse aus, wenn die Angreifer Bio-Deutsche sind. Was für ein Aufatmen ging durch die Medien, als herauskam, dass der Messerstecher von Grafing, „Paul H.“, trotz seiner Allahu Akbar Rufe als „echter Deutscher“ identifiziert werden konnte, obwohl das inzwischen aber weniger klar zu sein scheint. Ebenso wäre der Aufmacher über die russischer Hooligans in Köln bestimmt nicht halb so interessant gewesen, wäre von irgendwelchen Spaniern berichtet worden, die von irgendwelchen Männern beim Verteilen von irgendwelchen Zetteln verprügelt worden sind. [Zum Vergleich: letzten November wurde in Berlin während eines meiner Besuche dort ein spanischer Tourist grundlos auf offener Straße erstochen. Das Verbrechen hat es gerade noch zu einer kleinen Notiz in der Berliner Morgenpost geschafft.]

Bei Talk-Shows wird, wenn’s gar nicht mehr anders geht, eine Einzelperson eingeladen, die dem politischen Einheitskurs der Partei CDUCSUSPDFDPGRÜNEDIELINKE politisch entgegensteht. Auffällig ist in solchen Fällen immer die mediale Inszenierung. Das Publikum ist grundsätzlich sorgfältigst ausgewählt, überwiegend aus jungen Frauen bestehend und deutlich erkennbar stark mit bekopftuchten Migrantinnen durchsetzt. Begleitet wird das Ereignis mit einer gut geölten Beifalls-Choreographie. Da kann der hinzurichtende Kandidat oder die hinzurichtende Kandidatin noch so gute Argumente vorbringen, er oder sie wird keinen oder allenfalls einmal spärlich dosierten Beifall bekommen. Begeisterter Beifall ist dem angesagten politischen Einheitskurs vorbehalten, selbst wenn die vorgebrachten Argumente erbärmlich sind.

Professionell-manipulative Kameraführung

Eine professionell-manipulative Kameraführung tut ein Weiteres: Die geäußerten unbequemen Meinungen des Minus-Protagonisten werden mit der verächtlichen Mimik der politisch korrekten Plus-Protagonisten und der erkennbar dem mainstream verpflichteten Moderatorin konfrontiert. Sogenannte Rechtspopulisten werden vorgeführt und vor einem Millionenpublikum demontiert. Wäre es technisch möglich, würde man sicher noch den externen „Johl-Faktor“ ins Studio übertragen. Erstaunlich ist, dass die Rechnung gelegentlich trotzdem nicht aufgeht, wie man dann am anderen Tag den Kommentaren von Zuschauern im Internet entnehmen kann. So schmettert bei solche Gelegenheiten etwa Thilo Sarrazin die meisten Angriffe mit großer Überlegenheit ab, und – peinlich, peinlich – fast alle kriegen es mit.

Eine persönliche Erfahrung passt nahtlos in die hier beobachtete Uniformität der Medien. Jetzt sind wir aber in der Provinz, nämlich in einer süddeutschen etwa 8000 Einwohner zählenden Kleinstadt, mit der ich aus privaten Gründen einigermaßen vertraut bin. Dort sind über einen kurzen Zeitraum 200 oder mehr Asylbewerber untergebracht worden. Weitere werden folgen. Die Ansiedlung der Menschen erfolgte, wie immer, ohne Rücksprache mit der Bevölkerung. Der wenig begeisterte Bürgermeister wurde mit dem Vorgang als „alternativlos“ konfrontiert. Mittlerweile soll es in dem Örtchen auch schon eine Moschee geben, – selbstverständlich betrieben von der AKP-gesteuerten DİTİB, mächtiger Arm eines weithin bekannten türkischen Spitzenpolitikers. Aus Gesprächen mit Einheimischen weiß ich, dass die Bevölkerung dieser Entwicklung gegenüber äußerst negativ eingestellt ist. Gewisse Erfahrungen mit den Zugewanderten hätten diese Einstellung bestärkt. Die Polizei würde nach Aussagen einer Geschäftsinhaberin regelmäßig wegen Schlägereien unter den Asylanten gerufen, einige von ihnen wären inzwischen schon mal „auf Urlaub“ in ihre Heimat geflogen und dann wieder gekommen, andere hätte vor ihrer Umsiedlung in eine neue Unterkunft die Küche mit der Toilette verwechselt, um die Beobachtung appetitlich zu formulieren. Nichts davon sickert in die Berichterstattung der Lokalpresse. Dort liest man zu dem Thema allenfalls Beschönigendes. Kritisches begrenzt sich auf reichlich kryptische Ausführungen, in denen von einer nicht näher spezifizierten „Besorgnis“ der Bürger die Rede ist. Konkrete Gründe für die Besorgnis werden nicht genannt. Obwohl man zwischen den Zeilen die heftigen Probleme förmlich riecht, die hier im Untergrund brodeln, bemüht sich die Lokalpresse nach außen hin krampfhaft um Sonnenschein.

Lokalpresse sucht Sonnenschein

Meine schriftliche Anfrage bei der Lokalpresse bezüglich der in meinen Augen nicht zu akzeptierenden selektiven Berichterstattung provozierte eine bemerkenswerte Erklärung. Wenn die Bürger die offiziellen Gelegenheiten, Bürgerversammlungen etc. zur Kritik an den Vorgängen nicht ausnutzten, wäre das nicht das Problem der Medien. Das Problem, so der zuständige Redakteur, sei: „Sie finden kaum einen Bürger, der sich dazu namentlich in der Presse äußern würde, da er befürchten muss, anschließend als Rechtsradikaler abgestempelt zu werden“ (O- Ton der Lokalredaktion). Mein Vorschlag, die Meinungen und Erfahrungen der Bürger dann einfach in anonymisierter Form zu veröffentlichen, wurde nicht beantwortet. Erstaunlich ist, dass jedem Kriminellen das Recht zusteht, in den Medien anonym zu bleiben; den besorgten Bürgern steht dieses Recht offenbar nicht zu. Sie müssen sich, wenn sie in der Presse oder in Versammlungen mit ihren wirklichen Nöten zu Wort kommen wollen, ans Messer liefern. Die Dame, die mir über die obengenannten Erfahrungen mit Einwanderern in den Quartieren berichtet hat, sah sich beim Reden mehrmals um, um sich zu versichern, dass auch niemand anderer Zeuge ihrer Äußerung werden konnte.

Wenn Informationen nach mainstream Gesichtspunkten gezielt selektiert und Gegenpositionen zur refugee-welcome Euphorie automatisch als ausländerfeindlich, rassistisch, rechtsradikal kategorisiert werden, hat man – gesellschaftlich und politisch offensichtlich erwünscht – eine weitgehende und weitgehend freiwillige Selbstkontrolle der Medien erreicht. Ein gespenstischer Zustand, der an Schlimmes erinnert. Es war nämlich Propagandaminister Joseph Goebbels, der diese Form von Kontrolle in einer seiner Reden so charakterisierte: … Wir aber hatten, und das war in weiser Voraussicht geschehen, den deutschen Journalismus so diszipliniert, dass wir in den entscheidenden Augenblicken nicht einmal zu befehlen brauchten. Der deutsche Journalist schöpfte schon aus seinem eigenen Instinkt die Aufgaben, die in den kritischen Situationen nun für ihn erwuchsen und entstanden.

Vielfach war und ist bei uns die Rede von der „Lügenpresse“. Man muss aber gar keine Lügen verbreiten. Es reicht schon, wesentliche Teile der Wahrheit zu verschweigen. Wenn ich sage, die Nationalflagge Deutschlands sei schwarz ist das keine Lüge, denn sie ist schwarz, rot und gold. Nach den Gesetzen der Logik ist die Behauptung, die Nationalflagge Deutschlands sei schwarz, also keine Lüge, denn sie IST ja schwarz. Sie wäre aber, wie jedes Kind sieht, eine Irreführung, denn sie verschweigt wichtige weitere Aspekte. Würde die Information hier enden, so hätte man ziemlich windschiefe Vorstellungen von der Beschaffenheit der Flagge. Sie wäre z.B. von der des IS nicht gut zu unterscheiden.

Hier landen wir in einem Zusammenhang, an den Bertolt Brecht (1898-1956) zu seinen Lebzeiten bestimmt nicht gedacht hätte, als er das Gedicht An die Nachgeborenen schrieb. Dort lautet eine der bekanntesten Strophen:

Was sind das für Zeiten, wo
Ein Gespräch über Bäume fast ein Verbrechen ist
Weil es ein Schweigen über so viele Untaten einschließt!

Gastautor Dr. Josef Bayer ist Professor für Allgemeine und Germanistische Sprachwissenschaft an der Universität Konstanz.

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