Islamische Revolution in deutschen Ministerien

Wie weit muss die Anbiederung an islamische Regime gehen? Sollen deutsche Beamtinnen für eine Broschüre in Iran scharia-konform mit Kopftuch posieren? Ein Gastbeitrag von Thorsten Meyer.

Nachdem in Iran 1979 die islamische Revolution des Ajatollah Chomeini die Macht ergriff, mussten sich alle Frauen in der Öffentlichkeit mit Kopftuch oder Schleier verhüllen. Das sei ein Gebot der Scharia, verkündeten die Mullahs. Inzwischen haben sich die strengen islamischen Sitten in Teheran zwar etwas gelockert, in einigen Städten tragen gerade die jungen Frauen das Tuch lässig, weit nach hinten geschoben; sie bedecken ihre Haare nur teils.

Dafür strahlt der Kopftuch-Zwang nun offenbar bis nach Deutschland aus, bis in deutsche Ministerien. Deren Beamtinnen haben sich jetzt züchtig verhüllen müssen, als sie in einer Broschüre auftauchten, die in Iran verteilt wird. Seit die westlichen Sanktionen vor Kurzem endeten, steht die Islamische Republik Iran für Investoren offen. Westliche Firmen hoffen auf Aufträge. Auch deutsche Unternehmen träumen von fetten Anteilen am Milliarden-Kuchen. Deutschland war einst, vor 1979, der wichtigste Handelspartner des Öllandes Irans. Wenn man daran anknüpfen könnte, wäre einiges Geld zu verdienen.

Doch wie weit soll man sich dafür verbiegen, um dem Mullah-Regime zu gefallen? Ein Regime, das bis heute politische Oppositionelle brutal verfolgt, Frauen unterdrückt und Homosexuelle an Baukränen aufhängt. Vertreter der Wirtschaftsministerien zweier Bundesländer meinten offenbar: Man kann sich ruhig verbiegen beziehungsweise die Frauen verschleiern.

Nicht nur mussten die leitenden Beamtinnen aus Schwerin und Dresden bei einer Wirtschafsdelegationsreise ein Tuch überwerfen. Sie mussten auch für die Fotos der offiziellen Broschüre des Besuchs verschleiert auftreten. Das ist wirklich ungewöhnlich. Zahlreiche westliche Politikerinnern haben bei Besuchen in arabischen Ländern schon ein Kopftuch getragen. Aber noch keine hat extra mit Schleier beim Fotografen posiert, um arabischen oder islamischen Augen in einem Werbeheft zu gefallen.

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Man sieht die Abteilungsleiterin aus der Staatskanzlei von Mecklenburg-Vorpommern und die Leiterin des Büros des Wirtschaftsministers, die Geschäftsbereichsleiterin der IHK Schwerin sowie die Abteilungsleiterin aus dem sächsischen Wirtschaftsministerium – alle mit Kopftuch. Ihre Gesichter wirken ungewöhnlich steif.

Besonders unwohl scheint sich unter einem schwarzen Kopftuch eine Referentin aus dem sächsischen Wirtschaftsministerium zu fühlen. Die sachsen-anhaltinischen Beamtinnen hingegen erscheinen in der Broschüre mit offenen blonden Haaren, sie lächeln freundlich. Auch eine Ingenieurin namens Matab Shafaati von einem Greifswalder Ingenieursbüro ist ohne Schleier, als westliche, selbstbewusste Frau zu sehen.

Es gab also keinen absoluten Zwang, für die Broschüre verschleiert aufzutreten. Sachsen und Mecklenburg-Vorpommern haben in vorauseilendem Gehorsam gegenüber islamisch-iranischen Erwartungen ihre Spitzenbeamtinnen verhüllt.

„When in Rome, behave as the Romans“, lautet ein englischer Spruch. In Rom verhält man sich wie die Römer. Als Besucher und Gast solle man sich lokalen Gepflogenheiten anpassen. Aber wie weit geht die Anpassung in islamischen Ländern? Muss man selbst im heimischen Fotostudio den iranische Kleidercomment für Frauen übernehmen – in vorauseilendem Gehorsam. Oder sind einige der Bilder gar mit Photo-Shop bearbeitet worden? Sie wirken merkwürdig.

Die Broschüre fiel dem deutschen Juristen Arnd Diringer auf der Homepage der deutsch-iranischen AHK in Teheran auf. Der Ludwigsburger Arbeitsrechtsprofessor fand die Bilder der verschleierten deutschen Beamtinnen „sehr verwunderlich, um es vorsichtig auszudrücken“. Diringer rief bei dem Ministerium in Schwerin an, dessen Pressesprecher in der Broschüre genannt wurde. Der dortige Pressesprecher tat ahnungslos. Warum sich aufregen darüber, dass deutsche Ministerien ihre Mitarbeiterinnern für die Islamische Republik verhüllt zum Fotografen schicken? Das könne er gar nicht verstehen.

Seltsam jedoch, dass die Broschüre auf der Homepage der deutsch-iranischen AHK am Dienstag nur eine Stunde später nicht mehr als Download zu finden war. Der alte Link führte auf eine Seite „im Umbau“. Prof. Diringer hatte jedoch die Broschüre gespeichert und präsentierte sie auf seiner persönlichen Homepage. Und oh Wunder: Nachdem er diesen Hinweis per Twitter verbreitete und auf den Versuch der staatlichen Stellen hinwies, die Broschüre von der Homepage zu entfernen, war sie bei der AHK wieder erreichbar. Der Vertuschungsversuch erschien ihnen zunächst wohl zu peinlich. Dann die überraschende zweite Wendung: Am Dienstagabend wurde die Seite mit der Broschüre endgültig vom Netz genommen – ein indirektes Schuldeingeständnis, dass die Kopftuchdamen-Fotos politisch brisant werden könnten. Heute greift BILD die Sache auf.

Es gab schon eine ganze Reihe westlicher Unterwerfungsgesten gegenüber zahlungskräftigen islamischen Ländern. Legendär ist, wie vor einigen Jahren der Tourismusverband Bayern in einer Werbebroschüre für arabische Besucher die Zugspitze ohne Gipfelkreuz präsentierte – das Kreuz war nicht wegretuschiert, aber aus einer höchst seltsamen Perspektive fotografiert.  Die Absicht war klar: Das christliche Symbol sollte die Augen der islamischen Besucher nicht beleidigen.

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Das war selbst der evangelischen Regionalbischöfin von Münchner zu viel, deren Kirche sonst für den Dialog doch so manche Verrenkung macht. „Mit Feigheit gewinnt man keinen Respekt“, sagte sie.

Würde der italienische Tourismusverband in einem Prospekt über Florenz und die Uffizien das berühmte Bild „Die Geburt der Venus“ von Sandro Botticelli so umgestalten wie auf dem Cover von Alexander Kisslers Buch „Keine Toleranz den Intoleranten“?

Den Ministerien in Dresden und Schwerin möchte man zurufen: Mit Unterwerfung unter die Vorstellungen der Mullahs gewinnt man nicht – die Broschüre ist peinlich und feige. Ein Zeichen westlichen Appeasements.

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