Die Krise der EU und die Idee einer europäischen Rechtsgemeinschaft

Auf absehbare Zeit werden die meisten Nationalstaaten über sehr viel größere und historisch besser fundierte Legitimitätsressourcen verfügen als die EU. Eine europäische Politik, die das nicht berücksichtigt, und in der Vergangenheit ist das oft ganz in Vergessenheit geraten, wird scheitern. Begründet Ronald G. Asch.

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Dass die EU sich in einer Krise befindet, ist eine recht banale Aussage. Wie tief diese Krise ist, zeigt nicht zuletzt die Debatte über den Brexit, die zur Zeit in Großbritannien geführt wird, denn die Befürworter von „Remain“ haben nur wenig positive Argumente zu bieten, sie verweisen statt dessen nur immer wieder auf die großen, vor allem wirtschaftlichen Gefahren, die mit einem Brexit verbunden sind. Ob diese Einschüchterungstaktik erfolgreich ist, ist ungewiss.

Bei einer Fernsehdiskussion wurde der Premierminister Cameron jedenfalls vor kurzem nicht nur von dem hart fragenden Journalisten von Sky News, sondern auch von einer jungen Literaturstudentin, die anschließend von einem Teil der Presse als „Super-Soraya“ (sie heißt Soraya Bouazzaoui) gefeiert wurde, in die Enge getrieben. Diese wenige respektvolle Studentin warf ihm vor, ein bloßer Schwätzer zu sein, jedenfalls wenn es um die EU gehe und wandte sich im übrigen massiv gegen die drohende Aufnahme der Türkei in die EU, weil die dortige Regierung Isis unterstütze.

Nun kann man sich natürlich auf den Standpunkt stellen, dass dies alles nur ein typisch englisches Problem sei und ganz besonders ein Problem der englischen Konservativen. Sie glauben oft auch dann nicht an die EU, wenn sie gegen einen Austritt sind, fürchten aber die wirtschaftlichen Folgen eines Brexit, also könnten sie auch keine inhaltlichen Argumente für die EU formulieren. Aber sieht es denn auf dem Kontinent bei den Verteidigern der EU in ihrer jetzigen Form sehr viel besser aus?

Die EU hat kein positives historisches Narrativ

Es war immer das Problem der EU, dass ihr ein positives historisches Narrativ fehlte, das den Versuch, eine bundesstaatsähnliche gemeinsame europäische Ordnung zu schaffen, zu legitimieren vermochte. Ja es gab ein Narrativ, auf das man immer Bezug nahm und auch noch Bezug nimmt (auch Cameron tat das), das war der Verweis auf die Epoche der beiden Weltkriege und auf die Millionen von Toten, die dieses Schlachten – und die genozidale Politik des Dritten Reiches – kostete. Das neue Europa sollte vor allem ein Garant des Friedens sein, das ist es auch neben der Nato und der Schutzherrschaft der USA über (West-)Europa nach 1945 geworden.

Aber reicht ein solcher Bezug auf eine reine Katastrophengeschichte, um eine immer weiter gehende Einschränkung der Souveränität der Nationalstaaten zu legitimieren und den Bürgern der Einzelstaaten wirkliche Opfer für das neue Europa abzuverlangen? Darum geht es ja heute, sei es in Gestalt von schmerzhaften Sozialreformen oder von erheblichen Transferleistungen zu Gunsten nicht wettbewerbsfähiger und schwer reformierbarer Volkswirtschaften.

Die Nationalstaaten, Deutschland mag hier die eine große Ausnahme sein, stützen sich ihrerseits meist auf durchaus positiv besetzte historische Narrative, sie sehen ihre eigene Geschichte zumindest offiziell als Erfolgsgeschichte, sei es im Sinne eines kontinuierlichen Weges zu nationaler Selbstverwirklichung oder einer endlich erreichten Befreiung von Fremdherrschaft. Diese nationalen Narrative mögen in ihrer Interpretation kontrovers sein und von Teilen der eigenen Bevölkerung sogar abgelehnt werden. Ja man mag sie für bloße Konstruktionen und Mythen halten, aber sie sind zumindest in der Vergangenheit durchaus geschichtsmächtig gewesen, weil sie politische Akteure im Guten wie im Bösen zu Entscheidungen motiviert haben. In Ländern wie Frankreich und England, aber auch in Polen oder Irland und andernorts haben sie ihre Kraft noch keineswegs verloren. Vergleichbares scheint Europa in Gestalt der EU nicht bieten zu können, zumal die Geschichte der europäischen Einigung seit der Einführung des Euro keine klare Erfolgsgeschichte mehr ist.

Oder gibt es doch ein einigendes positives Narrativ? Der Rechtshistoriker Michael Stolleis, einer der führenden und vielleicht letzten wahrhaft großen Vertreter seines Faches in Europa, hat vor kurzem noch einmal nachdrücklich darauf verwiesen, dass am Anfang des historischen Einigungsprozesses nach dem Krieg das Bewusstsein stand, dass Europa ursprünglich eine Rechtsgemeinschaft gewesen sei und es dies nach den Gewaltorgien der Weltkriege wieder werden müsse.

Die Grundlage für diese Rechtsgemeinschaft sieht Stolleis vor allem in der Tradition des Römischen Rechts, das auch das kirchliche Recht und das Völkerrecht beeinflusst habe. Implizit sei in dieser Rechtstradition nicht nur die grundsätzliche Rechtsbindung jeder Herrschaft, sondern auch die Idee individueller Grundrechte und sogar einer Fürsorgepflicht der Obrigkeit gegenüber den eigenen Untertanen, aus der später der Sozialstaat hervorgegangen sei, angelegt. Auf diese Tradition könne man sich auch beim europäischen Einigungswerk stützen und müsse dies tun, auch und gerade im Konflikt mit jenen Regierungen, die heute wesentliche Rechtsprinzipien missachteten (gemeint sind hier wohl vor allem Polen und Ungarn). Solche Regierungen müsse man notfalls sogar durch Mehrheitsentscheidungen aus der EU ausschließen oder ihnen zumindest das Stimmrecht in den europäischen Gremien nehmen.

Das Römische Recht ist keine gemeinsame Basis

Man wird Stolleis, was die grundsätzliche Berufung auf das Römische Recht und die Tradition des Ius Commune betrifft, nicht widersprechen wollen, jedenfalls nicht als Deutscher, denn von deutscher Seite ist die EU eigentlich immer in besonders nachdrücklicher Weise als Rechtsgemeinschaft konzipiert worden und eine Idee von Europa, die sich auf das Römische Recht und generell die gemeinsame abendländische Rechtstradition stützt, ist auch heute viel eher tragfähig als ein Rekurs auf das konservativ-katholische Ideal eines „christlichen Abendlandes“, das unmittelbar nach dem Zweiten Weltkrieg ebenfalls die Gründung der EWG legitimieren sollte.

Aber findet sich diese Begeisterung für eine europäische Rechtsgemeinschaft auch bei unseren europäischen Partnern? Hier kommen Zweifel auf, auch wenn man nicht nach Osten oder Südosten blickt. Auf dem Höhepunkt der Eurokrise verkündete die damalige französische Finanzministerin Christine Lagarde triumphierend, um den Euro zu retten – und die Investitionen französischer Banken in Griechenland, wäre man versucht hinzuzufügen – habe man alle rechtlichen Regeln der europäischen Verträge gebrochen und das sei auch gut so gewesen.

In der Tat herrscht in der Eurozone seit Beginn der Eurorettung eigentlich der permanente juristische Ausnahmezustand. Nicht nur die no bail out-Klausel des Maastricht-Vertrages wurde recht unzeremoniell suspendiert, auch die Statuten der EZB wurden mit Billigung des EuGH so weit flexibilisiert, dass sie praktisch außer Kraft gesetzt worden sind: jedenfalls mit Blick auf das Verbot einer monetären Staatsfinanzierung, die zwar nicht ganz offen, aber dafür umso nachhaltiger versteckt betrieben wird.

Von der Idee der Herrschaft des Rechtes hat sich die EU bei der Eurorettung weitgehend verabschiedet. Nachhaltig kritisiert wird das aber eigentlich nur in Deutschland, die meisten anderen EU-Länder haben sich damit abgefunden oder begrüßen diese Entwicklung sogar ausdrücklich. Man mag sagen, dass sich darin die fundamentalen Differenzen zwischen den nationalen Interessen widerspiegeln. Das ist zum Teil richtig, aber ebenso wichtig ist ein erheblicher Unterschied der politischen Kulturen. Besonders deutlich wird das in Frankreich.

In Frankreich wird die Idee der Rechtsstaatlichkeit überlagert von den Idealen des klassischen Republikanismus, die übrigens ihre eigene ehrwürdige Geschichte haben, die über die Französische Revolution, das England des 17. Jahrhunderts und das Florenz der Renaissance bis in die Antike zurückreicht, und für die das Ideal der Tugend, der „virtus“ des Bürgers, wichtiger ist als das Recht per se. Man geht ja in Frankreich nicht nur mit dem europäischen Recht in Krisenzeiten eher sorglos um, sondern auch in innenpolitischen Fragen ist das Recht vor allem ein Instrument, das die eine und unteilbare Republik stärken soll, nicht unbedingt immer eine der Politik klar übergeordnete, gar vor Gerichten einklagbare Norm.

Das französische Rechtsverständnis bietet relativ viel Raum für einen Staatsnotstand, in dem die normalen Regeln nicht mehr gelten. Andernfalls wäre es schwer vorstellbar, dass nach zwei Attentaten für viele Monate der Ausnahmezustand ausgerufen wird, oder dass wichtige Arbeitsmarktreformen mit reinen Notverordnungen – darum handelt es sich bei der Anwendung des Artikels 49,3 der französischen Verfassung, der aus der Endphase des Algerienkrieges stammt, – durchgesetzt werden, freilich gegen den erbitterten Widerstand der Straße.

Der jakobinische Republikanismus der 1790er Jahre lebt

Die Idee „Not kennt kein Gebot“ ist somit dem französischen Republikanismus generell weniger fremd als dem deutschen Staatsverständnis, das natürlich auch durch die traumatischen Erfahrungen der 1920er und -30er Jahre mitgeprägt ist. Überdies gelten traditionell Sonderrechte für korporativ verfasste religiöse Gemeinschaften oder für Regionen und ethnische Minderheiten als unvereinbar mit dem französischen Verständnis der Republik. Es mag hier in den letzten Jahren einige Zugeständnisse an andere Rechtsauffassungen gegeben haben, aber am Ende bleibt der jakobinische Republikanismus der 1790er Jahre doch immer noch ein bestimmender Faktor der politischen Kultur Frankreich.

Ergeben sich schon hier massive Spannungen zwischen dem französischen Verständnis von Demokratie und Rechtsstaat und dem deutschen, so gilt das noch stärker, wenn man auf England blickt. Das Common Law entzog sich nicht nur in der Vergangenheit dem Einfluss des Römischen Rechtes relativ weitgehend, ihm war auch spätestens seit der Reformation die Idee einer gerichtlichen Überprüfung von Parlamentsgesetzen gänzlich fremd, da das Parlament selbst als höchster Gerichtshof galt.

Krone und Parlament waren gemeinsam seit den 1530er Jahren uneingeschränkt souverän und nur Sir Edward Coke (1552-1634), der führende Jurist des frühen 17. Jahrhunderts, spielte einmal angesichts eines eher exotischen Falles (Bonham’s Case. 1610) mit dem Gedanken einer gerichtlichen Überprüfung von besonders problematischen Gesetzen. Diese fehlende Tradition eines „judicial review“ erklärt auch, warum England sich mit der Rechtsprechung des EuGH aber auch des Europäischen Gerichtshofes für Menschenrechte so schwer tut, sie ist in England eigentlich systemfremd, auch wenn man sich solchen Ideen schweren Herzens in den letzten Jahrzehnten unterworfen hat.

Dass aber Richter aus fremden Nationen, denen jede demokratische Legitimation fehlt, vom Parlament verabschiedete Gesetze aufheben können, wird dennoch von vielen als Provokation empfunden und taucht als Argument für einen Austritt bei den Brexiteers immer wieder auf. Ein Michal Gove, immerhin der britische Justizminister und Lordkanzler, aber auch einer der Anführer der Brexit-Kampagne, würde jedenfalls mit Michael Stolleis’ Plädoyer für das Recht als Kern der europäischen Identität sehr wenig anfangen können, dessen kann man sicher sein.

Nun mag man sagen, dass solche Differenzen zwischen den unterschiedlichen politischen Kulturen in Europa in absehbarer Zeit zunehmend weniger relevant sein werden, schon wegen der vielen Migrationsbewegungen und der transnationalen Eheverbindungen, die eine gemeinsame europäische Identität schaffen werden. So zumindest argumentiert Michael Stolleis. Es ist sicher richtig, dass schon jetzt viele Menschen sich eher als früher hybride Identitäten zuschreiben, statt sich einfach nur als Franzosen oder Deutsche oder als Angehörige anderer Nationen zu sehen, aber macht das aus ihnen Menschen, die sich primär als Bürger der EU definieren? Das erscheint zweifelhaft, zumal die Zuwanderung aus nicht-europäischen Ländern z. B. in England oder Frankreich auch eher die Bindungen an die früheren Kolonien stärkt, und nicht die an Europa, wie gerade ein Blick auf einige konservative Politiker in Großbritannien, die die EU sehr skeptisch sehen und einen Migrationshintergrund haben, zeigt.

Noch problematischer ist das Plädoyer von Stolleis für mehr Mehrheits-Entscheidungen in der EU (ohne Vetorecht der dissentierenden Minderheit) und eine Beseitigung der Wahlrechtsprivilegien kleinerer Staaten bei den Wahlen zum EU-Parlament, sowie den schrittweisen Aufbau eines gemeinsamen europäischen Sozialstaates. Er scheint vorauszusetzen, dass eine Akzeptanz für Mehrheits-Entscheidungen sich aus der Idee der Rechtsgemeinschaft an sich ableiten lässt, denn die gemeinsamen Rechtstraditionen zusammen mit den Institutionen der EU hätten ein „europäisches Volk“ eigentlich schon geschaffen, das somit mehr sei als ein bloßer Zukunftstraum.

Kein europäisches Volk

Das so postulierte abstrakte europäische Staatsvolk führt in der Wirklichkeit freilich nur eine schemenhafte Existenz. Mehrheitsentscheidungen sind in der Regel nur dann friedlich durchsetzbar, wenn sich die Minderheit als Teil desselben „Wir“, desselben Demos wie die Mehrheit begreift und sich überdies Chancen ausrechnet, irgendwann in der Zukunft auch einmal selbst zur Mehrheit, und sei es im Bündnis mit anderen Kräften, zu werden. Ist das nicht der Fall, wird namentlich für territorial verfasste ethnische oder nationale Minderheiten der Weg der Sezession einfach zu verlockend; ein Blick auf Katalonien oder Schottland reicht hier aus.

Die Konflikte zwischen den unterschiedlichen Nationen in Europa sind aber gerade in der jetzigen Krise sowohl mit Blick auf die permanente Eurorettung wie mit Blick auf die Immigrationskrise ganz real, während das Gefühl der Zusammengehörigkeit schwach bleibt. Durch Mehrheits-Entscheidungen werden sich diese Konflikte nicht lösen lassen, sondern würden eher noch weiter eskalieren, abgesehen davon, dass sich Deutschland im Kampf gegen eine unbegrenzte Transferunion in der Eurozone in einer permanenten Minderheitsposition befindet und daher alles tun muss, um sich hier wenigstens ein Vetorecht zu sichern. Alles andere wäre politischer und finanzieller Selbstmord, was auch für die Idee einer europäischen Arbeitslosenversicherung und ähnliche Experimente gilt, die sich rasch, ähnlich der Griechenlandrettung, als Fass ohne Boden erweisen würden.

Damit soll gar nicht geleugnet werden, dass die gemeinsame, wenn auch in nationalen Kontexten sehr unterschiedlich interpretierte Idee der Herrschaft des Rechtes zu den wichtigsten ideellen Ressourcen der europäischen Politik gehört. Hier ist Michael Stolleis durchaus zuzustimmen. Der Glaube ein gemeinsamer „Rechtspatriotismus“ verbunden mit dem emphatischen Bekenntnis zu den Menschenrechten könne der entscheidende Angelpunkt einer gemeinsamen Identität Europas sein und einen europäischen Demos schaffen, ist aber in gewisser Weise auch sehr deutsch: und findet außerhalb unserer Grenzen nur eine begrenzte Resonanz, nicht nur wegen der „bösen“ Populisten und Nationalisten, die dort ihr Unwesen treiben, sondern auch weil hier eben andere, zum Beispiel klassisch republikanische Traditionen mit dem Ideal des Rechtsstaates konkurrieren oder man auch generell die engmaschige Beaufsichtigung der Politik durch Gerichte skeptisch sieht.

Schon beim Euro glaubte man, deutsche ökonomische Modelle auf ganze Europa übertragen zu können, und ist damit spektakulär und dauerhaft gescheitert, es wird einem bei dem Versuch, spezifisch deutsche Rechtsstaatlichkeit zu exportieren, nicht anders ergehen. Das zeigt sich ja auch in den verzweifelten und zunehmend hilflos wirkenden Rückzugsgefechten des Bundesverfassungsgerichtes in seiner Auseinandersetzung mit Eurorettung und EZB-Politik. Ähnliches gilt für die Flüchtlings- und Immigrationskrise, wie sich gezeigt hat. Es wäre jedenfalls sehr unklug, im Namen abstrakter juristischer Ideale angesichts des Druckes auf die europäischen Grenzen stärker realpolitisch orientierte Handlungsoptionen, wie sie etwa die österreichische Regierung entwickelt hat, vom Tisch zu fegen, wie das in Deutschland in offiziellen Kreisen immer noch weithin üblich ist.

The orderly management of decline

Was bleibt dann überhaupt als normative Basis für die Politik der EU? Viel ist es nicht, nachdem man sich schon in der Eurokrise von der Idee der strikten Verbindlichkeit der europäischen Verträge weit und in kaum noch revidierbarer Weise entfernt hat. Auf absehbare Zeit werden die meisten Nationalstaaten über sehr viel größere und historisch besser fundierte Legitimitätsressourcen verfügen als die EU. Eine europäische Politik, die das nicht berücksichtigt, und in der Vergangenheit ist das oft ganz in Vergessenheit geraten, wird scheitern.

Im Alltag der EU ist man am Ende wohl gut beraten, sich auf pragmatische, wenn auch eher provisorische Problemlösungen einzustellen, auch wenn damit der Eindruck des bloßen „Durchwurstelns“ verstärkt wird. Letztlich wird sich die Politik in der EU angesichts der Probleme eines Kontinents, der seine besten Zeiten ohnehin ein für alle Mal hinter sich hat, auf eine zentrale Aufgabe konzentrieren müssen: die geordnete Verwaltung des unvermeidlichen Niedergangs, “the orderly management of decline“, wie es ein englischer Premierminister einmal mit Blick auf sein eigenes Land in den 1970er Jahren formuliert hat.

Andere Optionen wird es für lange Zeit nicht mehr geben, es sei denn man würde wenigstens die gründlich misslungene Währungsunion nachhaltig flexibilisieren oder gar ganz revidieren. Zu viel Idealismus wird unter solchen Umständen die Lage nicht verbessern, sondern nur noch schlimmer machen. Das gilt leider auch für die Idee einer europäischen Rechtsgemeinschaft, wenn sie gegen den Widerstand einzelner Mitgliedstaaten mit Zwangsmitteln bis hin zum Ausschluss aus der EU auch von eben jenen Staaten durchgesetzt werden soll, die im europäischen Recht selber oft nur ein recht flexibles Instrument der Politik sehen, so verlockend das auf den ersten Blick auch erscheinen mag.

Ronald G. Asch ist Historiker und lehrt an der Albert-Ludwigs-Universität Freiburg.

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