Kriegsrat mit Illner

Beim Thema rasselte der Säbel noch: „Angst – Panik – Krieg“. Aber die Runde sah das eher als Sturm im Wasserglas. Sie war entspannter als bei jedem anderen Aufreger-Thema.

Vielleicht hätte sie einen General einladen sollen, der ein bisschen was über die Einsatzbereitschaft der Truppe kundtut. Scharrt die schon mit den Füßen? Kann die das überhaupt mit den neuen Kita-Zeiten von Frau von der Leyen vereinbaren? Das Schieß-Material soll ja auch nicht auf dem besten Stand sein, las man zuletzt. Aber noch schießen wir ja nicht mit, wir reden ja nur mal so.

Vom Fach ist ja auch Jürgen Trittin, der alte Straßenkämpfer. Der hat sich inzwischen so gemütlich in Merkels rotrotgrüner Republik eingerichtet, dass er, würde man ihn nicht kennen, bei der Sendung nicht mehr parteipolitisch identifizierbar gewesen wäre. Ein deutscher Kriegseintritt wäre jetzt völkerrechtlich doch nicht ganz sauber, stellt er mahnend fest, und schiebt gleich noch ein paar entsprechende Paragrafen hinterher.

Donnerwetter! wird sich Wolfgang Ischinger gedacht haben, seines Zeichens Diplomat, Chef der Münchner Sicherheitskonferenz und noch so dies und das. Wegducken hilft aber auch nicht, sagt er. Überhaupt wäre doch ein UNO-Mandat nicht schlecht, war sich die Runde einig, irgendwie ist ja der Assad noch da, auch wenn alle in seinem Land herumtrampeln. Von den Amerikanern und Israelis sprach der Transatlantiker Ischinger nicht, so als hätten die mit dem ganzen ISIS-Schlamassel so rein gar nichts zu tun.

Und damit manch ältere Herrschaften nicht zwischenzeitlich vorm Fernseher einnicken und weil vielleicht auch Kinder zuschauen, wurde in der Mitte der Sendung wieder ein Filmchen eingestreut, diesmal war’s wohl eins von KIKA, dem Kinderkanal des ZDF. Also das ist so mit Syrien: Die ISIS ist da und die ist böse, und der Assad kämpft gegen die ISIS, aber der ist auch böse und Saudi Arabien ist nett und so weiter und so fort.

Ach, wenn doch der alte Scholl-Latour noch lebte! Wie schmerzlich werden seine herrlich vernuschelten, aber immer sachkundigen Kommentare vermisst! Der hätte den ZDF-Redakteuren wohl kräftig in den Hintern getreten für ihren Kinderfilm.

Nicht, dass Florence Gaub nicht optisch eine eklatante Verbesserung der ZDF- Quasselbude ist. „Militär-Soziologin“ wurde als Berufsbezeichnung eingeblendet. Und „Islam- und Nahost-Expertin“ ein anderes Mal. Das war wichtig, denn nun stand die Frage im Raum: Warum sind die Terroristen denn überhaupt so böse? Klare Sache: Das sind Sunniten, die der Assad massakriert und der Schiit (dank der USA im Irak an der Macht) unterdrückt.

Nein, nein, haut da Trittin rechtzeitig die Bremse rein. Die Terroristen von Paris kommen gar nicht aus Syrien, die kommen aus der Mitte der Gesellschaft! Aus unserer! Also aus unserer europäischen, nicht aus der syrischen.

Ganz so leicht ließ sich die Moderatorin dann nicht vom Thema Terror – Panik – Krieg weglocken. „Sollen wir uns an den Kampfhandlungen in Syrien beteiligen?“ fragt sie Deniz Yücel, früher taz, heute Welt-Korrespondent in der Türkei. Der fand irgendwie erfrischend, dass es da jetzt schon ziemlich voll sei. Und er brachte wenigstens mal zur Sprache, dass die Türkei ihr eigenes, nicht ungefährliches Süppchen koche. Und dass, Orient-Studien hin oder her, das „Verfolgte-Sunniten-werden-Terroristen-Klischee“ ein wenig zu kurz gegriffen sei.

Natürlich kam dann auch noch die Frage nach Bodentruppen auf, man kennt sich aus. Damit schlug die Stunde des Stillen in der Runde: seine Exzellenz Wladimir Grinin, Botschafter der Russischen Föderation in Berlin. Ein wirklich netter Kerl, der optisch noch aus der alten UdSSR zu kommen schien. Ein bisschen wie Egon Bahr.

Da seien ja längst Bodentruppen, und zwar die von Assad. Und es freue ihn, sagte Wladimir, der Schelm, dass der Westen nun in Wien mit am Tisch säße, wie es Russland gewünscht und initiiert habe. Auch wenn er die Rolle des Paria am Tisch hatte – Illner-Kenner wissen: einer muss immer der Underdog sein – so richtig in Kampfeslaune war in der Runde niemand. Chef-Diplomat Ischinger fand sogar lobende Worte für die Russen, erstaunlicherweise mit Beifall der Claqueure.

Der Abschuss der russischen Suchoi lief als Lappalie nebenbei durchs Gespräch. Selbstverständnis fehlte auch das Mantra nicht, dass die Flüchtlinge die Opfer sind. Und der Vorschlag des neuen polnischen Außenminsters (böse), man solle den geflohenen Syrern helfen, eine Exil-Armee aufzustellen, damit sie ihre Heimat befreien könnten, wurde einhellig abgelehnt. „Amüsant“ fand’s der eher unauffälige Florian Harms von der CSU. Trittins Ablehnung war natürlich pathetischer, und überhaupt, müsse man erst mal die Syrer fragen. Trittin, der sich schon wegen der SS-Zugehörigkeit seines Vaters besser in der Geschichte des Zweiten Weltkriegs auskennen sollte, hätte durchaus in Erwägung ziehen können, dass der Gedanke des Polen so abwegig nicht ist. Genau solche polnischen Exiltruppen kämpften seinerzeit gegen das Deutsche Reich.

Der Vorhang schließt sich und alle Fragen bleiben offen. Über die Frage „Was soll das?“ ist jeder echte Bastler erhaben.

Aber wem bei der Nachricht des Abschusses der Suchoi durch die Türken kurzzeitig der Schreck in die Glieder gefahren ist, weil er weiß, dass Russland das nicht als Betriebsunfall hinnehmen wird, kann nach der Illner-Show wieder ruhig schlafen gehen. Alles wird gut. Mit oder ohne zwei Tornados aus Alemania.

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