Hart aber Fair: Lasst alle Hoffnung fahren!

Es war ein wahrlich schrecklicher TV-Abend mit Frank Plasberg, und das Wort eines italienischen Dichters kommt einem abgewandelt in den Kopf: Ihr, die ihr das gesehen habt, lasst alle Hoffnung fahren! Wer Ohren hatte zu hören, der weiß, das handelnde Personal bekommt die Flüchtlingskrise nicht in den Griff. Nicht heute, nicht morgen, nicht dieses Jahr.

Über eine Million sind bereits hier, Millionen versammelt an den afrikanischen Küsten oder in der Türkei warten auf die Überfahrt. Der Trick mit den NATO-Schiffen in der Ägäis funktioniert nicht, weil die Türken die Flüchtlinge der aufgebrachten Boote nicht mehr zurücknehmen. Sind die Migranten erst einmal in Griechenland oder Italien, geht’s weiter nach Deutschland.

Und in Deutschland warten auf die einen Teddybären, auf andere „Wir sind das Volk!“ und „Flüchtlinge raus!“. Deutschland ist tief gespalten mit unabsehbaren Folgen für die politische und gesellschaftliche Kultur. 81 Prozent  der Deutschen sagen, die Regierung hat die Lage nicht im Griff.

Um Merkel ging es nur am Rande

Die „Hart aber Fair“-Sendung hinterließ ein Gefühl tiefer Betroffenheit, weil klar wurde, warum in Zeiten, wo Konsens und Kooperation so wichtig wären, genau diese unmöglich sind. Einem Großteil des politischen Establishments fehlt bereits jedes Problemverständnis: Die mangelnde Willkommenskultur, der Einheimische ist schuld. Eigentlich war Merkels Halbzeitbilanz das Thema, doch zunächst wurde von jedem Teilnehmer seine persönliche Abscheu vor Clausnitz abgefragt, ein Bekenntnis der Herzen.

Vielleicht, weil es nur am Rande um Merkel ging. Das eigentliche Thema: Flüchtlinge, Folge 2.425. Katja Kipping von „Die Linke“ glaubt allen Ernstes, die aufgewühlte Stimmung und die Proteste in Sachsen kommen vor allem daher, dass die CDU-Regierung den antifaschistischen Kampf nicht unterstützt habe. Und eigentlich sei das Flüchtlingsproblem gar keins. „Hier im Publikum sitzen 50 Leute, wenn jetzt noch einer dazukommt, muss man nur einen Stuhl mehr reinstellen, es ist ja Platz genug da.“ Und die Solidarität Resteuropas muss halt erzwungen werden.

Wer bisher glaubte, dass Angela Merkel alle Männer ihrer Partei entmannt und zu folgsamen Pudeln abgerichtet hat, durfte sehen, dass sie in dieser Hinsicht an dem 36-jährigen Münsterländer Jens Spahn gescheitert ist. Der Parlamentarische Staatssekretär im Finanzministerium trat kenntnisreich, eloquent und durchaus charmant in den TV-Ring. Er beschönigte nichts an der Situation, warnte zugleich vor Sprechverboten – „Man darf den Diskursraum nicht kleinmachen“ – und vor der Beschimpfung der Europäer, die sich Merkels Einladungskurs nicht anschließen. Der Mann geht, wie seine Vita zeigt, auch auf Konfrontationskurs zur Kanzlerin. In der Sendung aber plädierte er fürs Abwarten bis zur verschobenen EU-Flüchtlingskonferenz. Sollte die scheitern und die Märzwahlen ein Katastrophe werden, kann man sich den „Seehofer der CDU“(SZ) beim Partei-internen Widerstand vorstellen.

Allgemeine Lösungsverweigerung

Nein, es ist die ehemalige Volkspartei SPD, die für die Handlungsunfähigkeit steht. Nun hat deren Abgesandte Gesine Schwan kein Amt – die Einblendungen beschrieben sie als Präsidentin eines Internet-Portals – aber es ist ganz gleich, wen die Partei schickt, es kommt immer derselbe Sermon heraus. Flüchtlingsfragen und Grenzen müssen noch konsequenter europäisiert werden. Solidarität muss eingefordert oder mit Geld erkauft werden. Alternativen zum Kurs der Kanzlerin – Fehlanzeige.

Der zynische Schröder hatte die Berlinerin, die mit einer Privat-Uni Pleite ging, einst als Bundespräsidentin ins Spiel gebracht, wo sie zweimal scheiterte. Zugleich wollten vor allem die Damen den Flüchtlingen schon am Ursprungsort helfen, indem die Ursachen dort bekämpft werden. Man kann ihnen nur viel Erfolg wünschen in Syrien, Afghanistan, der Türkei und Libyen.

Die Sendung war symptomatisch für die allgemeine Lösungsverweigerung im Land. Wenn Sie einen Wasserschaden haben, müssen Sie zunächst die Hauptleitung abstellen. Wenn Sie das nicht machen, sondern darüber debattieren, ob Sie mit dem Wasser im Keller einen Swimmingpool im Garten befüllen sollen, den Sie aber erst noch bauen müssten, dann säuft der Keller ab. Das gilt auch für ein Mehrparteienhaus wie die EU. Sie müssen den Haupthahn zudrehen. So einfach ist das. Danach können Sie eine riesige Wellness-Oase für alle bauen.

Wilfried Scharnagl, der in die Jahre gekommene ehemalige Chefredakteur des Bayern-Kuriers, hat nichts von seiner Verstandesschärfe eingebüßt. Der Autor des Buches „Bayern kann es auch allein“ benannte klar Merkels Freude an Selfies als Ursache einer aus dem Ruder gelaufenen Migration. „Merkel hat eingeladen“. Und „sie muss jetzt laut, deutlich und öffentlich sagen: Wir nehmen keinen mehr.“

Eigentlich war ja Merkel das Thema. Dass die Landtagswahlkämpfer der Union auf Distanz zur Kanzlerin gingen, stellte Plasberg fest. Der Journalist Wolfram Weimer beruhigte ihn, dass etwa zwischen Klöckner und Merkel kein Blatt Papier passe. Wenn allerdings „am 13. März die Volksparteien zerschmettert“ würden, mache er sich „mehr Sorgen um die SPD.“

Fassen wir zusammen: Millionen Migranten sind hier, die meisten keine Kriegsflüchtlinge. Millionen werden kommen, sobald die Frühlingssonne scheint. Integration, ein gigantisches Projekt für Jahrzehnte, gemanagt von Berlin, wo nicht einmal einen Flughafen startfähig wird. Europa vor dem Zerfall, der Euro auf Schmelzkurs. Im TV: man hätte, man könnte, man sollte … . Eigentlich interessiert die Herrschaften nur, ob sie am 13. März genügend Stimmen für ein „Weiter so“ bekommen, und die Kakophonie wird fortgeführt bis zum Crash.

Natürlich musste Scharnagl den bayerischen Ministerpräsidenten verteidigen, der mit Klage gegen Merkel wegen der offenen Grenze droht. Wann kommt sie denn, die Klage? „Zur rechten Zeit“, sagte der alte Fuchs, aber Merkel werde rechtzeitig „wohl oder übel einknicken.“

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