Empfindliche Gesinnungsjäger

Die Beschwerde der Amadeu Antonio Stiftung beim Fernsehrat des ZDF über einen humorig-witzigen Beitrag von Achim Winter gerät zur unfreiwilligen Selbstkarikatur.

ZEIT ONLINE meldet „Polizei, Politiker und Initiativen kämpfen gegen Hetze im Netz. Ein ZDF-Reporter macht sich in einem Beitrag darüber lustig. Der wird jetzt Thema im Fernsehrat.“

Darf Bespitzelung benannt werden?

ZEIT ONLINE weiter: „In seinem Beitrag bezeichnet Winter die Suche nach Hasspostings im Netz als ‚Bespitzelung‘. Er verabschiedet sich von seinen Zuschauern mit den Worten, er ‚rufe jetzt mal bei Frau Kahane an‘ – der Vorstandsvorsitzenden der Stiftung – ‚die ist ja für jeden Tipp dankbar‘. Damit spielt er auf die Stasi-Vergangenheit Kahanes an, die im Alter von 19 Jahren von dem DDR-Spitzeldienst angeworben worden war.“ Und weiter: „Seitdem sieht sich die Amadeu Antonio Stiftung ’schwer getroffen‘. Der Beitrag des Autors Achim Winter sei ‚verstörend‘, schreibt der Vorsitzende des Stiftungsrates, Konfliktforscher Andreas Zick, an den ZDF-Fernsehrat in einer Beschwerde, die ZEIT ONLINE vorliegt. Ähnliche Schreiben gingen an die Intendanz und die Redaktionsleitung. Die Stiftung verlangt, den Beitrag aus der Mediathek zu löschen.“

Ich habe mir Winters Stück nachträglich angesehen. Wenn das an mehr Witz auf der Straße als harte Satire nicht zulässig sein soll und gelöscht werden muss, dann Satire, Witz und Humor, in deutschen Landen ohnehin stark unterbelichtete Kategorien, ade. Ich weiß, mit den Namen anderer macht man keine Witze. Aber hier kann ich es mir nicht verkneifen: Herr Zick, ganz schön zickig.

Schließlich heißt es auf ZEIT ONLINE: „Zick räumt in seinem Brief ans ZDF zwar ein, der Beitrag lasse sich womöglich als Satire einordnen, könne aber auch anders beurteilt werden. Er kritisiert, dass das ZDF die Stiftung dem Spott preisgebe.“ Die Leserkommentare auf ZEIT ONLINE sind übrigens nahe an 100% positiv für Winter.

Die NZZ rechnet mit deutschen Medien ab
Berichterstatter als Stimmungsmacher
Dieser Vorgang wie viele andere erinnern mich immer mehr an die Zeit der kopflos rasenden Zeit der hysterischen Kommunistenjagd in den USA, die unter dem Namen ihres Trägers, des Senators Joseph McCarthy in die Geschichte einging. Heute werden keine Kommunisten gejagt, sondern es jagt eine Frau, Anetta Kahane, Tochter der Kommunistin Doris Kahane, die vor den Nazis fliehen musste.

Düstere Stasi-Vergangenheit

Welche Relevanz die Vergangenheit von Anetta Kahane als Stasi-Mitarbeiterin für ihre heutige Tätigkeit in der Amadeu Antonio Stiftung hat, war wiederholt ein öffentlicher Gegenstand und wird es weiter sein. Dass der Rechtsstaat zur Verfolgung von politischem Extremismus Private wie diese Stiftung finanziert, ist eine eigene Geschichte. Dass viele Medien sich in den Dienst dieser Verfolgung stellen, auch.

Wikipedia weiß über sie: „Von 1974 bis 1982 arbeitete sie unter dem Decknamen Victoria als Inoffizielle Mitarbeiterin des Ministerium für Staatssicherheit (MfS). Kahanes Stasi-Akte umfasst knapp 800 Seiten. Laut Berliner Zeitung notierte ihr Führungsoffizier Mölneck zu Beginn ihrer Tätigkeit für das MfS, dass sie bereits beim zweiten Treffen ‚ehrlich und zuverlässig‘ berichtet habe. Kahane hat laut Berliner Zeitung Dutzende Personen aus ihrem Umfeld belastet.“

Die WELT berichtete 2007: „Mit ihren Angaben belastete Kahane Dutzende Personen aus ihrem unmittelbaren Umfeld, darunter viele Künstler. Sie berichtete über einen ZDF-Reporter, mehrere Studenten von West-Berliner Universitäten und vor allem über in der DDR lebende Ausländer. In einem von IM ‚Victoria‘ stammenden Bericht heißt es 1976 über einen Kreis von Schriftstellern und Schauspielern: ‚Zu den Feinden der DDR gehören in erster Linie Klaus Brasch und Thomas Brasch.'“

Anschließend war sie Ausländerbeauftragte des letzten SED-Magistrats von Ost-Berlin. Auch dort diente sie treu dem System und verfertigte Untersuchungen, wonach Ausländerfeindlichkeit nur in Westdeutschland auftrete und in der DDR gänzlich unbekannt gewesen sei – eine Fortsetzung der SED-Propaganda, um die Wiedervereinigung madig zu reden und an der prekären Lage der wenigen Ausländer in der DDR glatt vorbei. Wer ihre damaligen Werke liest, gewinnt den Eindruck, dass Kahane versuchte, die DDR zu beschönigen.

Später wechselte sie ihre Position – offensichtlich enttäuscht von der Zuwendung der ehemaligen DDR-Bürger zur Wiedervereinigung. Kahane betrachtet seither den Umstand, dass in Ostdeutschland nur wenige farbige Minderheiten leben, als problematisch und bezeichnet es als „die größte Bankrotterklärung der deutschen Politik nach der Wende“, dass diese zugelassen habe, „dass ein Drittel des Staatsgebiets weiß blieb“. Die Tatsache, dass es in weiten Teilen Ostdeutschlands keine sichtbaren Minderheiten gebe, bewirke dort „mehr Unerfahrenheit mit Fremden, mehr Abwehr“. Ihr pauschale Verteufelung der Ostdeutschen hat auch breiten Widerspruch aus der SPD hervorgerufen. Trotzdem wirbt der Tagesspiegel für sie als Nachfolgerin von Joachim Gauck als Bundespräsidentin.

2008 sagte die Stasi-Unterlagenbehörde eine öffentliche Debatte mit Kahane ab, weil ihre Verbindungen mit dem Ministerium für Staatssicherheit bekannt wurden. 2016 hat sie sich mit Hilfe des Bundesjustizministers bereits wieder so weit nach vorne gekämpft, dass sie dem ZDF Zensurvorschläge unterbreiten kann.

Aber offensichtlich ist vor der blinden Gesinnungsjagd Kahanes und ihrer Mitstreiter niemand gefeit. Ihre Mitarbeiterin Julia Schramm ist Autorin der berüchtigten „Bomber-Harris-Tweets“, die die Bombardierung von Dresden zum Gegenstand hatten: „Bomber Harris Flächenbrand, Deutschland wieder Ackerland“, schreibt sie etwa, oder: „Sauerkraut, Kartoffelbrei, Bomber Harris Feuer frei“.

Das sind also die Personen, die jetzt für Bundesjustizminister Heiko Maas angebliche „Hetzer“ jagen dürfen – und selber vor nichts zurückschrecken. Es ist ein Jagd auf alles, was nicht SPD wählt oder linker. Gewalt wird verherrlicht – wenn sie sich gegen die mit der falschen Meinung richtet.

Geschäftsmodell Bespitzelung

Eine Einrichtung wie die Amadeu Antonio Stiftung, die die Beurteilung der politischen Einstellung und Äußerungen von Zeitgenossen als Geschäftsmodell betreibt, muss Kritik an ihr, satirische und humorige eingeschlossen, aushalten können. Die von ihr wie auch immer Klassifizierten müssen das ja auch: Sie werden nicht dem Spott preisgegeben, sondern als Böse kategorisiert, ohne dass sie sich im Einzelfall darüber beim Justizminister oder sonstwo mit Aussicht auf Löschung ihrer Zuordnung beschweren könnten.

Achim Winter spießt viele Tatbestände, Ereignisse und Umstände auf. Mit den unterschiedlichsten Personen führt er für die Zuhörer informative Gespräche. Eine Beschwerde beim Fernsehrat des ZDF zeugt von wenig Selbstbewusstsein oder Souveränität. Beschwerden von Zick und Kahane darüber, dass das ZDF Herrn Erdogan dem Spott preis gegeben habe, sind mir nicht bekannt. Die Attitüde, dass eine staatlich bezuschusste Stiftung zur Verfolgung politisch Unerwünschter sich selbst für sakrosankt hält, erinnert an historische Parallelen und beunruhigt.

Auf ZEIT ONLINE lesen wir: „Die Stasi-Vergangenheit Kahanes sei detailliert aufgearbeitet und transparent, schreibt Zick. Ein Gutachten bestätigte nach Angaben der Stiftung, dass Kahanes Stasi-Mitarbeit keinem anderen Menschen geschadet hat.“

Es ist absehbar, dass es eines nicht allzu fernen Tages Thema wird, welchen Menschen Frau Kahanes und ihrer Stiftung Jagd auf „Hass“ und „Hetze“ geschadet haben wird, weil sie zu Unrecht in ein falsches Licht gestellt wurden. In den USA hat es lange gedauert, bis Opfer des Verfolgungswahnes von McCarthy und seiner Jagdgenossen rehabilitiert wurden, vielen gelang es nie und etliche haben die Hetzjagd nicht überlebt. Vergleichbares ist als Folge der Gesinnungsjagd unserer Tage zu befürchten.

Unseren Lesern ist Achim Winters Satire-Video „Im Morgengrauen“ bekannt. Hier die jüngsten Beiträge.

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