Die „mutige“ Anja Reschke sagt, was alle sagen – so what?

Wer möchte nicht auch einmal ein Held sein? Einer, der ganz Großartiges, ganz Mutiges, ganz Wichtiges leistet. Nicht jeder ist dazu geboren, nicht jeder bekommt die Gelegenheit dazu. Aber mancher versucht es trotzdem.

Anja Reschke, „Panorama“-Chefin und immer auf der Seite des Guten, Wahren, Richtigen, hat jetzt versucht, sich als einsame Rittersfrau gegen Neo-Nazis zu positionieren. Mit einem Tagesthemen-Kommentar gegen den dummen braunen Mob, der Menschen als Dreck bezeichnet und alle Flüchtlinge für „Schmarotzer“ hält, „die verjagt, verbrannt oder vergast werden sollten“.

Gut gebrüllt, Löwin. Doch ist Reschke weder die erste noch die einzige Stimme, die sich – aus gutem Grund – mit jenen Rechtsradikalen anlegt, die Flüchtlingsunterkünfte anzünden, Flüchtlinge anpöbeln und im Internet ihrem Ausländer-Hass freien Lauf lassen. Wer an dieser Front kämpft, ist aber noch lange kein Held. Er weiß vielmehr die große Mehrheit der Deutschen hinter sich. Denn die Neonazis und ihre willigen Nachläufer sind Gott sei Dank nur eine kleine Minderheit.

Weil Anja Reschke das weiß, hat sie versucht, ihr Tagesthemen-Publikum zu provozieren. „Wenn ich jetzt öffentlich sage: Ich finde, Deutschland soll auch Wirtschaftsflüchtlinge aufnehmen – was glauben Sie, was dann passiert?“, sagt sie in die Kamera. „Ich bekäme eine Flut von Hasskommentaren. ‚Scheiß Kanacken, wie viel wollen wir noch aufnehmen, sollen abhauen, soll man anzünden …‘, all sowas halt. Wie üblich.“ Und sie schloss mit einem Aufruf zu einem „Aufstand der Anständigen“ und dem provokativen Schlusssatz: „Ich freue mich schon jetzt auf die Kommentare zu diesem Kommentar“. Ganz nach dem Motto: Hier stehe ich, ich kann nicht anders.

Und sie kamen, die Kommentare; allerdings ganz andere, als Anja Reschke erwartet, vielleicht sogar erhofft hatte. Natürlich gab es auch Pöbeleien einiger rechtsradikaler Dumpfbacken. Insgesamt war das Echo aber überwältigend positiv. Die tapfere Frau Reschke wurde in vielen Medien für ihren „Mut“ belobigt. Sie selber war „ganz berührt von den vielen positiven Zuschriften“ und von den tausendfachen „Likes“ auf Facebook. Nur: Eine Heldensaga lässt sich daraus nicht stricken. Reschke hat nämlich nur das gesagt, worin ihr die ganz große Mehrheit zustimmt: dass Ausländerfeindlichkeit und Fremdenhass bei uns keinen Platz haben.

Ach, wäre Anja Reschke doch wirklich mutig gewesen! Hätte sie nicht nur ein rhetorisches Bekenntnis zur Aufnahme von Wirtschaftsflüchtlingen abgegeben, sondern ein reales. Hätte sie doch gesagt, „Ja, wir sollten alle Wirtschaftsflüchtlinge bei uns aufnehmen“, „Nein, es spielt keine Rolle, ob jährlich 500.000 oder eine Million zu uns kommen“, „Ja, das wird viel Geld kosten, aber das wäre mir eine höhere Verschuldung oder höhere Steuern wert“. Hätte, hätte …

All das hat unsere Heldin nicht gesagt. Ob ihr der Mut dazu gefehlt hat, so deutlich zu sagen? So wissen wir nur, was sie ablehnt, nämlich „übelste Hetze“, aber nicht, was sie politisch will: Totale Freizügigkeit oder nur einen Sondereingang für eine begrenzte Zahl von Wirtschaftsflüchtlingen? Da hält Anja Reschke sich vornehm zurück – für eine Möchtegern-Heldin zu sehr. Wie schade.

 

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